29
S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 2
Blick in die Presse
Die Tore der
Zukunft
Zu Gast in
der Bürgelschule
Andreas Schulte
glaubt, dass die
Einführung der elektronischen
Torlinien-Technologie ein großes
Geschäft wird.
Deutschland gegen England – das
ist mehr als ein Fußballspiel. Es ist
ein Klassiker, bei dem die Schieds-
richter oft entscheidend mitpfif-
fen. Gleich bei zwei Weltmeister-
schaften sprang der Ball von der
Latte in die Nähe der Torlinie. Und
beide Male irrten die Unpartei-
ischen bei der Frage, ob die Kugel
vor oder hinter der weißen Kreide
aufgesprungen war. 1966 verhalf
das eigentlich irreguläre „Wembley-
Tor“ England zum WM-Titel. 2010
gewann Deutschland im Achtelfi-
nale auch deshalb, weil ein klarer
Treffer der Engländer nicht gege-
ben wurde.
Die bevorstehende Europameister-
schaft könnte für die Schiedsrich-
ter die letzte Gelegenheit sein,
diese unfreiwillige Tradition fortzu-
führen. Der Weltfußballverband
FIFA plant, Anfang Juli die Einfüh-
rung der elektronischen Torerken-
nung für seine Turniere zu
beschließen. Es wäre ein klares
Signal für den europäischen Ver-
band UEFA als EM-Veranstalter.
Die Torlinien-Technik könnte dem
Anbieter, der sich bei der FIFA
durchsetzt, „Hunderte Millionen
Pfund“ bringen, sagt David Parden,
Gründer der englischen Firma
Goalminder. Denn nach und nach
werden viele der weltweit knapp
200
nationalen Profiligen die neue
Technik einführen.
Parden hat ein System mit 24
Kameras in Pfosten und Latte ent-
wickelt. Das soll klären, ob ein Ball
die Linie überquert hat oder nicht.
Auf 100.000 Pfund beziffert Parden
die Installationskosten pro Sta-
dion. Goalminder konnte die FIFA
aber nicht überzeugen. Sie lehnte
die Zertifizierung für ihre Turniere
ab und testet nun in einer zweiten
Runde nur noch zwei von
ursprünglich acht Systemen.
Die größten Hoffnungen, sich
durch die Zertifizierung für mög-
lichst viele Ligen zu empfehlen,
haben der britische Anbieter
Hawk-Eye, eine Sony-Tochter, und
Goalref, das vom gleichnamigen
dänischen Unternehmen mit dem
Fraunhofer-Institut für Integrierte
Schaltungen entwickelt wurde.
Goalref produziert ein Magnetfeld,
das wie ein unsichtbarer Vorhang
über der Torlinie wirkt. Fliegt ein
mit Funkchip ausgestatteter Ball
hindurch, erhält der Schiedsrichter
ein Signal auf seine Uhr.
Die Hoffnung ist groß: „Man kann
davon ausgehen, dass die meisten
Ligen das von der FIFA zertifizierte
System übernehmen“, sagt René
Dünkler, Marketing-Fachmann beim
Fraunhofer-Institut. Den Preis der
eigenen Lösung verrät er nicht.
Wir werden uns nach der Ent-
scheidung im Juli zusammenset-
zen und unser weiteres Vorgehen
besprechen.“
Doch dann dürfte das Geschäft mit
einigen Ligen schon gelaufen sein.
Vertreter der italienischen Serie A
und der amerikanischen Major
League Soccer haben angekündigt,
die Torlinien-Technik möglichst
rasch einzuführen. Dan Johnson,
Sprecher der englischen Premier
League, sagte Anfang März, man
wolle das System so schnell wie
praktisch möglich“ einsetzen.
Fraunhofer-Konkurrent Hawk-Eye
verhandelt laut britischen Presse-
berichten bereits mit der Premier
League – ungeachtet der ausste-
henden FIFA-Zertifizierung. Bestäti-
gen will das Unternehmen dies
aber nicht.
Als Vorteil gegenüber Goalref
spricht für Hawk-Eye die Visuali-
sierbarkeit der Bilder für TV-
Zuschauer. Der Nachteil: Sind 25
Prozent des Balls verdeckt, können
die sechs Kameras ihm nicht fol-
gen. Außerdem gilt die Installation
im Stadion als aufwändig. Neben
Goalminder mischt ein weiterer
Verlierer aus Runde eins der FIFA-
Tests noch mit: „Wir reden mit ver-
schiedenen Ligen und rechnen uns
Chancen aus“, sagt Christian Hol-
zer, Vorstand von Cairos Technolo-
gies.
Ähnlich wie Goalref setzt das
Unternehmen auf eine Magnetfeld-
Technologie kombiniert mit einem
Funk-Chip im Ball. Das System
wurde 2005 bei der U 17-Junioren-
WM getestet. Nun schlägt Cairos
ein Lizenzmodell mit 2.500 Euro
Kosten pro Spiel vor. Für die
Bundesliga kommen solche Kalku-
lationen zu früh. Man beschäftige
sich mit dem Thema noch nicht
konkret, teilt die Deutsche Fußball
Liga (DFL) mit.
Markus Kniebeler
beschreibt den
Besuch von FIFA-Schiedsrichter
Felix Zwayer in einer Rathenower
Gesamtschule in Brandenburg.
Dass Fußballprofis von jungen
Mädchen angehimmelt werden,
mag man ja schon gesehen haben.
Aber Schiedsrichter? Die werden
doch eher beschimpft als verehrt,
oder? Es sei denn, sie heißen Felix
Zwayer. Als der 30-jährige FIFA-
Schiedsrichter in der Bürgel-
Gesamtschule eintraf, da wurde er
bereits von drei jungen Anhänge-
rinnen erwartet. Auf die Frage von
Schulleiter Michael Hohmann, was
sie denn wollten, säuselten sie nur:
Ein Autogramm“. Ja, so ändern
sich die Zeiten. Allerdings verwun-
dert diese Reaktion nicht, wenn
man Zwayer mal erlebt hat. Smart,
charmant, gut aussehend, erfolg-
reich – das ist das Holz, aus dem
Idole geschnitzt sind.
In die Bürgelschule war Felix Zwayer
gekommen, um den Mitgliedern
der Arbeitsgemeinschaft „Schieds-
richter“ von seiner Arbeit als Referee
zu berichten. Seit dem Sommer
2008
können Schüler in dieser von
Doris Jähmlich geleiteten AG den
offiziellen Schiedsrichter-Ausweis
des DFB erwerben.
Auch Felix Zwayer stieg als Schüler –
er war 13 – in das „Schiedsrichter-
Geschäft“ ein. Mit 17 leitete er die
erste Kreisligapartie. Und arbeitete
sich von einer Spielklasse in die
nächsthöhere vor. Bis er 2009 das
erste Bundesligaspiel pfiff. Anfang
dieses Jahres hat Zwayer dann die
allerhöchste Stufe der Referee-
Karriereleiter erklommen: Er
wurde vom DFB als FIFA-Schieds-
richter benannt, darf also bei
internationalen Spielen eingesetzt
werden.
Zwayer gab zu, dass seine Bilder-
buch-Karriere nicht die Regel sei.
Dennoch ermunterte er die Schü-
ler, den eingeschlagenen Weg fort-
zusetzen. Der Job als Schiedsrich-
ter sei enorm spannend und
mache jede Menge Spaß. Und das
ganz unabhängig davon, ob man in
der Bezirksliga auf dem Platz
stehe oder in der Bundesliga.
Zwayer warnte aber auch davor,
der Schiedsrichter-Laufbahn alles
unterzuordnen. Eine solide Schul-
und Berufsausbildung sei wichti-
ger als die Karriere auf dem Fuß-
ballplatz. Das Schöne aber sei,
dass man beides gut miteinander
vereinbaren könne.
Auch in dieser Hinsicht ist Zwayer
ein leuchtendes Vorbild: Abitur,
Ausbildung, Berufseinstieg – alles
glatt erledigt. Heute ist er haupt-
beruflich als Immobilien-Kaufmann
tätig. Und pfeift nebenbei das ein
oder andere Bundesligaspiel. Die
Bürgelschüler staunten nicht
schlecht. Und baten am Ende der
Vorstellung um ein Autogramm –
und zwar nicht nur die Mädchen.