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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 2
Vorschau
Entscheidung in Sekundenschnelle
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden sie oft Torrichter
genannt, ihre offizielle Bezeichnung allerdings heißt „Addi-
tional Assistant Referees“ – also „zusätzliche Schiedsrich-
ter-Assistenten“. Sie sind Teil eines Experiments der UEFA,
das seit der Saison 2009/2010 schon in der Europa League
und seit 2010/2011 auch in der Champions League prakti-
ziert wird. Unmittelbar nach der EM will der IFAB, das
höchste Regel-Gremium im Weltfußball, darüber entschei-
den, wie es mit dem Experiment weitergehen soll.
Die zusätzlichen Assistenten sind an der Torlinie postiert
und unterstützen den Schiedsrichter bei Aktionen in Tornähe.
„
Sie sollen nicht nur darauf achten, ob der Ball im Tor ist,
sondern müssen Vergehen kommunizieren, die ich als
Schiedsrichter nicht sehen kann“, erklärt Wolfgang Stark.
Die Verständigung läuft über das Headset, genauso wie mit
den anderen beiden Assistenten. „Wichtig dabei ist eine
klare Absprache vor dem Spiel: Weil es im Spiel schnell
gehen muss, haben wir feste Schlagworte, so dass wir uns
innerhalb von Sekunden absprechen und eine Entscheidung
treffen können“, sagt der EM-Schiedsrichter.
Im deutschen EM-Schiedsrichter-Team übernehmen Florian
Meyer und Deniz Aytekin den Part der Additional Assistant
Referees.
Additional Assistant Referees
Deniz Aytekin
Konzentration auf das Turnier: Wolfgang Stark beim Workshop
Anfang Mai in Warschau.
In Warschau gab es auch einen Medientag.
Florian Meyer
seiner Schiedsrichter-Laufbahn,
der es aber auch in sich hat:
„
Innerhalb von rund drei Wochen
finden 31 Spiele statt. Das bedeu-
tet, dass die Anforderungen an
Spieler und Schiedsrichter sehr
intensiv sind.“
Wie weit letztendlich der Weg der
deutschen Schiedsrichter bei der
EM führen wird, haben sie nur zum
Teil selbst in der Hand. So war 2010
für Stark & Co. bereits im Achtelfi-
nale Endstation, weil die deutsche
Nationalmannschaft so erfolgreich
war. Schiedsrichter aus Ländern,
deren Team im Turnier Erfolg hat,
werden dann nicht mehr einge-
setzt. „Wir haben uns einfach das
Ziel gesetzt, als Team aufzutreten
und unsere Spiele möglichst feh-
lerfrei zu leiten. Genauso, wie wir
das bei der WM gemacht haben“,
erklärt der Unparteiische aus dem
bayerischen Ergolding. Der Fokus
liegt nur auf den eigenen Spielen,
„
alles andere können wir sowieso
nicht beeinflussen.“
Dass er diese Spiele optimistisch
angehen kann, zeigt Wolfgang
Stark nicht nur an diesem Nach-
mittag in Freiburg – das Spiel
bringt er mit nur einer Gelben
Karte souverän über die Bühne –
sondern auch eine Woche später in
Bukarest. Dort erntet er für die
Leitung des Europa-League-Finals
zwischen Atlètico Madrid und Ath-
letic Bilbao das Lob aller Experten
und Medien.
Und kurz darauf beweist er auch
beim Relegationsspiel zwischen
Fortuna Düsseldorf und Hertha
BSC Berlin seine Qualitäten als
Krisenmanager. Das hochbrisante
Spiel, das kurz vor dem Abbruch
steht, bringt er schließlich doch
noch zu Ende: „Solche Spiele kön-
nen auch für uns Schiedsrichter
nicht zur Routine werden. Aber
wenn man sich im Vorfeld auf die
Dinge einstellt, die während der 90
Minuten passieren können und
dafür im Kopf einen Plan hinterlegt
hat, kann man im Spiel gelassener
reagieren.“
So bestätigt Stark auch in seinem
letzten Spiel vor der EM erneut,
dass er nicht nur körperlich, son-
dern auch mental bestens für das
große Turnier gerüstet ist.
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