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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 2
Bis dahin ist das Spiel absolut fair
gewesen, der Schiedsrichter hat
noch keine Karte gezogen. Hält ihn
der bisherige Spielcharakter davon
ab, Jones „Rot“ zu zeigen? Oder
hat er die Szene möglicherweise
nicht ganz genau gesehen, weil ein
Spieler ihm die Sicht verdeckt hat?
Und hat er keinen entsprechenden
Hinweis von seinem Assistenten
bekommen oder vom Vierten Offi-
ziellen, in dessen unmittelbarer
Nähe das Foul stattfand? Wie auch
immer, bei einer solch risikorei-
chen und gesundheitsgefährden-
den Spielweise reicht „Gelb“ nicht
aus, die Grenze zu „Rot“ ist hier
überschritten.
■
Eintracht Frankfurt – TSV 1860
München
In diesem Zweitligaspiel springt der
Frankfurter Verteidiger Constant
Djakpa mit gestrecktem Bein und
offener Sohle in seinen Gegner
Kevin Volland
(
Foto 12)
.
Selbst wenn
man ihm zugute halten möchte, den
Ball spielen zu wollen, so kommt er
doch eindeutig zu spät, trifft seinen
Gegner im Unterleib und streckt
diesen so zu Boden. Schiedsrichter
Peter Gagelmann hat freie Sicht auf
das Geschehen und ist nach einem
kurzen Sprint mit der Roten Karte
zur Stelle.
Dass er sie schon im Laufen aus der
Tasche zieht, spricht nicht gegen
das ungeschriebene Schiedsrichter-
Gesetz „Sicherheit geht vor Schnel-
ligkeit“. Weil er sich seiner Ent-
scheidung ganz sicher ist, signali-
siert der Schiedsrichter mit dem
sofortigen Griff zur Gesäßtasche,
dass weder Hinweise an ihn noch
Racheakte am „Täter“ angesagt
sind. In solchen Fällen lautet das
Motto deshalb „Sicherheit mit
Schnelligkeit“.
■
KFC Uerdingen – Viktoria Köln
Zum Schluss noch ein ungewöhn-
licher Fall aus der 5. Liga, der es
sogar in die ARD-Sportschau
schaffte und noch einmal unter-
streicht, dass die Theorie immer
mal wieder von der Praxis bestä-
tigt wird.
Ein Auswechselspieler, der sich
unmittelbar neben dem Tor auf-
wärmt, betritt das Spielfeld. Sein
Grund: Er hält den Ball auf, der
sonst ins Tor seiner Mannschaft
gerollt wäre
(
Foto 13a)
.
Der Schieds-
richter unterbricht das Spiel und
zeigt diesem Spieler die Rote Karte.
Offensichtlich ist ihm in diesem Fall
die Torverhinderung durch ein
Handspiel durch den Kopf geschos-
sen, die ja mit „Rot“ bestraft wird.
Wie aber schon häufig in den Regel-
Tests der Schiedsrichter-Zeitung
geschildert und besprochen, kann
es als Persönliche Strafe für diese
Aktion lediglich „Gelb“ und zusätz-
lich die Meldung im Spielbericht
geben. Eine (sicher wünschenswer-
te) Rote Karte ist aufgrund der feh-
lenden Grundlage im Regelwerk
nicht möglich. Da der Spieler kein
Vergehen nach Regel 12 begeht und
den Ball nur mit dem Fuß spielt, ist
er lediglich für das unerlaubte
Betreten des Spielfelds zu bestra-
fen. Eine Ergänzung, die eine Rote
Karte für solche Fälle möglich
macht, wird es wohl erst geben,
wenn so etwas bei einem großen
internationalen Spiel passieren
würde.
In Uerdingen jedenfalls wird der
Schiedsrichter von seinen aufmerk-
samen Assistenten vor einem fol-
genschweren Fehler bewahrt und
ändert noch vor der Spielfortset-
zung die Persönliche Strafe in
„
Gelb“. Aus dem indirekten Freistoß
entsteht dann doch noch das
zunächst verhinderte Tor, weil die
verteidigende Mannschaft der
Spielfortsetzung fernbleibt
(
Foto 13b)
.
Eine faire Geste, die sicher noch von
Fairness-Preis-Jurys gewürdigt wer-
den wird.
Der letzte Bundesliga-Spieltag
bestätigte dann noch einmal den
Eindruck, den wir von der gesamten
Rückrunde hatten: Die Leistungen
der Lizenzliga-Schiedsrichter und
ihrer Assistenten befanden sich auf
einem bemerkenswert hohen
Niveau, was sich auch darin aus-
drückte, dass in der Fußball-Öffent-
lichkeit höchstens über die eine
oder andere Einzelentscheidung
diskutiert wurde, aber kein einziges
Mal über das grundsätzliche Auftre-
ten und Verhalten der Unpartei-
ischen. Möge es in der neuen Saison
so weitergehen.
■
Mit „Karacho“ grätscht Jones den Berliner Ben-Hatira um.
Ein Kung-Fu-Tritt, der zu Recht mit „Rot“ bestraft wird.
…
aus dem folgenden indirekten Freistoß doch noch fällt.
Der Auswechselspieler verhindert mit seinem Eingreifen ein
Tor, das dann aber…
Foto 11
Foto 12
Foto 13a
Foto 13b