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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 2
erkannt, dass von den Händen
keine aktive Bewegung zum Ball
ausging und sie auch nicht zur
„
Vergrößerung“ des eigenen Kör-
pers eingesetzt wurden, um auf
diese Weise den Ball abzufangen. Er
ließ also zu Recht weiterspielen.
Das machte der Schiedsrichter die-
ses Spiels auch in einer anderen
Situation vorbildlich. Wobei wir
erstmal einräumen müssen, dass
die Darstellung der Vorteil-Bestim-
mung in den (Stand-)Bildern unse-
rer Analysen nicht optimal sein
kann. Schließlich bleibt das Spiel in
einem solchen Fall eben nicht ste-
hen. Dennoch seien hier zwei derar-
tige Situationen erläutert, weil es ja
doch einer der schönsten Momente
für einen Schiedsrichter ist, wenn
er einen Vorteil erkennt und das
Spiel zu Recht laufen lässt.
Als der Dortmunder Lewandowski
bei einem schnellen Konter links
am Strafraum recht rüde von sei-
nem Gegenspieler Stranzl umge-
grätscht wird, hat er gerade den
Ball in den freien Raum gespielt
(
Foto 7a)
.
Florian Meyer erkennt,
dass sich daraus eine große Chance
entwickelt, weil Kagawa an den Ball
kommt
(
Foto 7b)
.
Der Schiedsrich-
ter lässt das Spiel also laufen, der
Dortmunder umkurvt den Torwart
und schießt den Ball zum 2:0 ins
Tor. Während die Spieler jubeln, ver-
warnt der Schiedsrichter den Glad-
bacher Stranzl nachträglich für sein
Foulspiel.
Ergibt sich aus einer solchen Vor-
teil-Situation auch noch ein Tor, so
geht dem neutralen Betrachter als
Fußballer und als Schiedsrichter
doch das Herz auf, oder?
■
Hertha BSC Berlin –
1.
FC Kaiserslautern
Die zweite Vorteil-Situation: Als der
Berliner Niemeyer seinen Gegen-
spieler Fortounis bei einem Konter
im Mittelfeld zu Fall bringt
(
Foto 8a)
,
lässt Wolfgang Stark das Spiel lau-
fen. Dieser Vorteil dynamisiert den
Angriff des 1. FC Kaiserslautern
enorm und eröffnet der Mannschaft
eine gute Torchance. Als sie die
nicht nutzen kann und den Ball wie-
der verliert, starten die Berliner
ihrerseits einen Angriff. Jetzt unter-
bricht der Schiedsrichter das Spiel,
denn der gefoulte Lauterer Spieler
liegt noch verletzt am Boden
(
Foto
8
b)
.
Ein kluger Pfiff, denn sonst hätten
die Berliner ihrerseits aus dem Foul
an Fortounis womöglich einen Nut-
zen gezogen. So aber kann Wolf-
gang Stark nun den Berliner Nie-
meyer für sein Foul nachträglich
verwarnen. Das führt in diesem Fall
zu einer Gelb/Roten Karte, weil der
Spieler schon verwarnt war. Die
Spielfortsetzung ist dann natürlich
der Schiedsrichter-Ball, da die
Unterbrechung wegen der Verlet-
zung erfolgte.
In diesen beiden Fällen haben die
Schiedsrichter die Vorteil-Bestim-
mung mit anschließender Persön-
licher Strafe vorbildlich angewen-
det. Sicher auch ein Ergebnis der
großen Erfahrung, die Florian Meyer
und Wolfgang Stark mitbringen.
Denn man soll bei gelbwürdigen
Fouls diese Kann-Bestimmung nur
sehr dosiert anwenden, nämlich nur
dann, wenn sich daraus ein deutlich
erkennbarer Vorteil ergibt. Häufig
ist aufgrund der Schwere des Ver-
gehens der sofortige Pfiff samt Ver-
warnung die bessere Lösung. Damit
verhindert der Schiedsrichter, dass
die Zeitspanne vom Vergehen bis
zur Persönlichen Strafe eventuell
zu lang wird, falls es zu keiner
Spielunterbrechung kommt und
deshalb der Bezug zu dem Foulspiel
verlorengeht.
■
Karlsruher SC – SC Paderborn
Lehrwarte kennen das: Die Schieds-
richter stöhnen gern beim Regel-
Test, dass diese oder jene Frage
doch „nun wirklich reine Theorie“
sei. Da freut sich der Regel-Experte
umso mehr, wenn sich die „reine
Theorie“ plötzlich in der Praxis
wiederfindet.
Daniel Brückner heißt der Fußball-
Profi, dem wir einen solchen Fall
verdanken. Natürlich weiß der
Paderborner Fußball-Profi, dass
a) sein Torwart den Ball nicht in die
Hand nehmen darf, wenn er ihm die
Kugel mit dem Fuß zuspielt; und dass
b) der Torwart das sehr wohl darf,
wenn er – Brückner – für das
Zuspiel seinen Kopf nutzt.
Erlaubt! Die Hände von Schmelzer verhindern den Volltreffer.
Lewandowski wird nach seinem Abspiel umgegrätscht,…
…
das Kagawa aufnimmt, den Torwart umkurvt und trifft.
Vorteil nach diesem Foul am Mittelkreis. Der Schiedsrichter …
…
unterbricht später das Spiel wegen des verletzten Lauterers.
Foto 6
Foto 7a
Foto 7b
Foto 8a
Foto 8b