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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 2
Analyse
Spieler wegen seines Verhaltens
positiv herausstellen.
In der 81. Minute bugsiert St. Paulis
Stürmer Marius Ebbers den Ball
über die Linie, der Schiedsrichter
erkennt auf Tor, weil weder er noch
einer seiner Assistenten erkannt
hat, dass dabei die Hand im Spiel
war
(
Foto 4)
.
Nach Protesten der
Spieler von Union befragt er
Ebbers, der dann sportlich fair
zugibt, dass er das Tor „mit Kopf
und Hand erzielt“ habe. Der
Schiedsrichter verzichtet wegen
dieses „Geständnisses“ auf die an
sich notwendige Verwarnung für
das unsportliche Handspiel und
hebt stattdessen später im Spielbe-
richt das sportlich-faire Verhalten
des Spielers hervor.
Der Unparteiische nimmt das Tor
zurück, weil das Spiel zum Glück
noch nicht fortgesetzt war und ver-
hängt regelgerecht einen direkten
Freistoß für Union Berlin. Dass sich
Spieler und Schiedsrichter in dieser
Situation korrekt verhalten haben,
ist unstrittig und sehr lobenswert.
Besser wäre es natürlich gewesen,
der Schiedsrichter oder einer sei-
ner Assistenten hätte das Handspiel
sofort erkannt, und die sportlich-
faire Gesinnung des Spielers wäre
nicht derart auf die Probe gestellt
worden.
32.
SPIELTAG
Nachdem der 31. Spieltag ohne grö-
ßere Probleme für die Schiedsrich-
ter ablief, kamen eine Woche später
wieder die Hände ins Spiel.
1899
Hoffenheim – Bayer 04
Leverkusen
Der Hoffenheimer Musona ist im
Strafraum von Leverkusen ausge-
rutscht, der Ball rollt vor seinen
rechten Fuß. Der Stürmer chippt ihn
mit einer kurzen Bewegung hoch.
Dem Abwehrspieler Corluka fliegt
der Ball aus nicht einmal zwei
Metern Entfernung gegen die linke
Hand
(
Foto 5)
.
Der Schiedsrichter hat einen guten
Blick auf die Situation und verhängt
sofort einen Strafstoß. Dabei
spricht eigentlich alles gegen einen
Pfiff: Corlukas Arm befindet sich in
einer natürlichen Haltung, er ist
nicht vom Körper weggespreizt, es
erfolgt auch keine aktive Bewegung
zum Ball, und die Distanz ist sehr
gering.
Warum der Unparteiische hier zu
einer falschen Wahrnehmung
kommt, lässt sich nur vermuten:
Zum einen ist die Situation, dass
ein am Boden liegender Spieler sei-
nem vor ihm stehenden Gegner den
Ball genau an die Hand schießt,
sicher nicht alltäglich. Zum anderen
mag den Schiedsrichter etwas irri-
tiert haben, was der Abwehrspieler
eigentlich zu seinem Schutz macht:
Als der Ball seine Hand trifft, zieht
er sie schnell weg, um eben das
Handspiel zu vermeiden. Ein sol-
cher Reflex ist in der Zeitlupe gut
zu unterscheiden von einer absicht-
lichen Bewegung zum Ball. In der
Normalgeschwindigkeit des Spiels
kann das aber anders wirken: Denn
die gesamte Aktion, die wir in Ruhe
am Bildschirm analysieren, dauert
in Wirklichkeit vom Spielen des Bal-
les bis zum Wegziehen der getroffe-
nen Hand nicht einmal eine halbe
Sekunde!
Da kann auch einem sehr erfahre-
nen Schiedsrichter einmal ein Feh-
ler unterlaufen.
Borussia Dortmund – Borussia
Mönchengladbach
Und noch ein Hand-„Fall“: Als der
Gladbacher Reus am Dortmunder
Torwart vorbei ist, schießt er aus
spitzem Winkel aufs Tor. Marcel
Schmelzer steht dem Treffer aller-
dings im Weg und wehrt den aus
rund vier Metern abgefeuerten Ball
mit den Händen ab! Dennoch unter-
lässt Schiedsrichter Florian Meyer
den Pfiff – und zwar zu Recht.
Denn Schmelzer hat die Arme am
Körper angelegt und die Hände vor
dem Unterleib verschränkt, als ihn
der Ball genau dort trifft
(
Foto 6)
.
Immer noch wird in einer solchen
Situation gern von „Schutzhand“
gesprochen. Stimmt ja auch, denn
der Spieler schützt damit einen
hochempfindlichen Körperteil. Den-
noch ist das kein Kriterium für die
Entscheidung des Schiedsrichters,
zumal es diesen Begriff im Männer-
fußball zu keiner Zeit im Regelwerk
gegeben hat. Florian Meyer hat
Mit seinem gelben Fußballschuh trifft Baier (vorn) Podolski.
Dortmunds Torwart wirft sich vergeblich nach dem Ball.
Marius Ebbers hilft bei seinem Kopfball mit der Hand nach.
Der Ball fliegt an die normal gehaltene Hand von Corluka.
Foto 2
Foto 3
Foto 4
Foto 5