6
S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 2
Titelthema
im Tornister trug und folgerichtig
eines Tages DFB-Präsident wurde:
Peco (eigentlich: Peter Joseph)
Bauwens.
Vier Endspiele um die Deutsche
Meisterschaft leitete der an Heilig-
abend 1886 in Köln geborene Sohn
eines Bauunternehmers. Darunter
das legendäre Finale von 1922 zwi-
schen dem Hamburger SV und dem
1.
FC Nürnberg. Als es nach mehre-
ren Verlängerungen immer noch 2:2
stand und nach mehr als drei Stun-
den die Dunkelheit zu groß wurde,
brach Peco Bauwens das Spiel ab.
Los-Entscheid oder Elfmeterschie-
ßen gab es damals noch nicht.
Auch das Wiederholungsspiel
brachte keine Entscheidung. Beim
Stand von 1:1 hatten die Nürnber-
ger nach 105 Minuten nach zwei
Feldverweisen und zwei schweren
Verletzungen nur noch sieben
Spieler auf dem Feld und damit
einen weniger, als damals nach der
Regel nötig waren. Schiedsrichter
Bauwens brach deshalb auch die-
ses Spiel ab. Später wurde der HSV
vom DFB zum Meister erklärt, ver-
zichtete jedoch auf den Titel.
Peco Bauwens schadete das nicht,
im Gegenteil. 1922 war auch das
Jahr, in dem er erstmals interna-
tional pfiff: Ungarn gegen Öster-
reich war das erste von unglaub-
lichen 82 Länderspielen, die er in
den nächsten 21 Jahren leitete.
Bevor der internationale Spielver-
kehr in den Wirren des Zweiten
Weltkriegs zum Erliegen kam, pfiff
Bauwens im Mai 1943 noch die Par-
tie Schweiz gegen Ungarn. Da war
er bereits 56 Jahre alt, eine Alters-
grenze im heutigen Sinne gab es
nicht.
Aber auch auf der Funktionärsebene
war Bauwens früh erfolgreich. Wie
das 1927 erstmals erschienene
Handbuch der FIFA vermerkte, war
er zu dieser Zeit „Präsident des
Konsultativ Komitees für die Spiel-
regeln und Schiedsrichter sowie
Delegierter der FIFA im IFAB“. Von
1932
bis 1942 gehörte Bauwens
auch dem Exekutivkomitee des
Fußball-Weltverbandes an.
Mit 63 Jahren wurde er dann 1950
Präsident des wiedergegründeten
DFB und blieb es zwölf Jahre lang.
Dass er in dieser Zeit neben der
Aufgabe, den deutschen Fußball
wieder auf die internationale
Ebene zu führen, auch die Schieds-
richter immer im Blick hatte, ver-
steht sich bei seiner Vita fast von
selbst.
Kurt Tschenscher, der Ende der
50
er-Jahre ein aufstrebender FIFA-
Schiedsrichter war, erinnert sich
an einen Lehrgang in Hennef: „Bei
einem unserer Trainingsspiele
brach ich mir den Fuß. Ich war
natürlich todunglücklich darüber
und dachte an all’ die schönen
Spiele, die mir nun durch die Lap-
pen gehen würden. Da war es wirk-
lich ein schöner Trost, als mich
Dr. Bauwens noch in Hennef
besuchte und mir gemeinsam mit
dem damaligen DFB-Spielaus-
schuss-Vorsitzenden Körfer Mut
zusprach.“ Die Hochachtung, die
der später so überaus erfolgreiche
Schiedsrichter aus Mannheim vor
diesem Präsidenten hatte, kann
man heute noch spüren.
***
Seit Peco Bauwens hat es keinen
DFB-Präsidenten mehr gegeben,
der so lange und so eng mit dem
Schiedsrichter-Wesen verbunden
war. Aber auch wenn seine Nach-
folger – außer dem schon erwähn-
ten Egidius Braun – selbst keine
Schiedsrichter waren und sind: Für
die Belange der Unparteiischen
und ihrer Funktionäre haben sich
alle eingesetzt.
Auch und gerade Gerhard Mayer-
Vorfelder, der vor seiner Zeit als
DFB-Präsident dem VfB Stuttgart
vorstand und in dieser Funktion
Von Hueppe bis
Niersbach
Prof. Dr. Ferdinand Hueppe
1900 – 1904
Friedrich-Wilhelm Nohe
1904 – 1905
Gottfried Hinze
1905 – 1925
Felix Linnemann
1925 – 1945*
Dr. Peco Bauwens
1950 – 1962
Dr. Hermann Gösmann
1962 – 1975
Hermann Neuberger
1975 – 1992
Egidius Braun
1992 – 2001
Gerhard Mayer-Vorfelder
2001 – 2006
Dr. Theo Zwanziger
2004 – 2012
Wolfgang Niersbach
seit 2012
*
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es
zunächst keinen überregionalen Fuß-
ball-Verband.
Die elf DFB-Präsidenten
Juni 1979: Präsident Hermann Neuberger ehrt Jan Redelfs
aus Hannover als „Schiedsrichter des Jahres“ und überreicht
ihm die „Goldene Pfeife“.
In die Amtszeit von Gerhard Mayer-Vorfelder (links) fiel 2003
der Beginn der Partnerschaft mit der DEKRA. Rechts DEKRA-
Chef Gerhard Zeidler, in der Mitte als „Model“ Knut Kircher.