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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 2
Das ist nun aber nicht mehr straf-
bar, weil der Ball von Hubnik nicht
einfach abgeprallt ist, sondern
von dem Berliner Verteidiger
bewusst gespielt wurde. Das hebt
die Abseitsposition von Brecko
auf. Das Tor, das die Kölner erzie-
len, nachdem Brecko dann den
Ball zu seinem Kollegen Clemens
abgespielt hat, ist also regulär.
Zum Glück kommen solche kom-
plizierten Abseits-Situationen ja
nicht allzu häufig vor, aber schon
am Spieltag danach entstand vor
dem 1:0 des SC Freiburg beim
Hamburger SV eine ähnliche Situa-
tion. Diesmal stand sogar der Tor-
schütze im Abseits, als eine Flanke
von links Richtung Hamburger
Strafraum geschickt wurde. Der
Ball wurde vom HSV-Spieler Jaro-
lim durch ein klares Spielen zum
im Abseits stehenden Gegner
befördert. Auch hier galt: Die
Strafbarkeit der Abseitsposition
war erloschen, weil der Ball vom
Gegner gespielt wurde und nicht
nur von ihm abgeprallt war.
Szene 2:
Aber zurück zum Spiel
1.
FC Köln gegen Hertha BSC. Als
der Berliner Kobiashvili rund 25
Meter vor dem eigenen Tor Rich-
tung Mittellinie läuft, wird er vom
Kölner Jajalo mit einer Grätsche
von der Seite zu Boden gestreckt
(
Foto 12)
.
Es scheint sich bei man-
chen Spielern und Vereins-Offi-
ziellen (sowie Sportjournalisten)
immer noch nicht herumgespro-
chen zu haben, dass es nicht nur
für derartige Attacken von hinten
glatt „Rot“ gibt. Ihr Argument: „Er
kam doch von der Seite!“ ist in
einem solchen Fall überhaupt
nicht das Kriterium. Der Kölner
hat mit offener Sohle und
gestrecktem Bein seinen Gegen-
spieler im Knöchel- und Unter-
schenkelbereich getroffen, ohne
dabei den Ball zu spielen. Für
diese mehr als rücksichtslose
Spielweise, die ein hohes Verlet-
zungsrisiko in sich birgt, kann es
nur einen Feldverweis geben.
Auch der Einwand, der Schieds-
richter habe in dieser Situation
überzogen, schließlich ginge es
doch um so viel in diesem Spiel,
ist nicht stichhaltig und verwech-
selt Ursache und Wirkung. „Über-
zogen“ hat hier lediglich der Spie-
ler, der mit seiner übertrieben
harten Aktion eine entsprechende
Reaktion des Schiedsrichters not-
wendig machte.
Szene 3:
Nach einer berechtigten
Gelben Karte gegen Kobiashvili
erhebt der Berliner Vorwürfe in
Richtung des Kölners Riether, weil
der angeblich „Gelb“ gefordert
hatte. Lukas Podolski mischt sich
ein. Kobiashvili packt den Kölner
am Nacken und zieht ihn zu sich
heran. Podolski will sich aus dem
Griff befreien und drückt mit der
linken Hand gegen den oberen
Brustbereich des Berliners
(
Foto 13)
.
Inzwischen sind mehrere Spieler
hinzugelaufen, es bildet sich ein
„
Rudel“. Guido Winkmann und
seine beiden Assistenten sind in
der Nähe und beobachten die
Szene. Nachdem sich die Hitzköpfe
wieder abgeregt haben, zeigt der
Schiedsrichter eine weitere Gelbe
Karte gegen Kobiashvili, der folg-
lich mit „Gelb/Rot“ vom Platz
muss. Podolski bekommt für seine
Aktion ebenfalls eine Karte und
zwar „Rot“. Allerdings zeigten
später die TV-Bilder, dass sein
Verhalten vom Schiedsrichter-
Team nicht richtig eingeschätzt
wurde, so dass diese Persönliche
Strafe zu hart war.
Auch wenn die „Rudelbildung“ –
zumindest in den Profiligen – ins-
gesamt abgenommen hat, muss
man immer mit einem solchen
Ausbruch rechnen und deshalb
die Aufgabenverteilung für solche
Fälle in der Absprache vor dem
Spiel festlegen. Immer wieder gilt
es, aufmerksam den Gesamtab-
lauf zu beobachten und auf kei-
nen Fall voreilig Notizen zu
machen, weil man dabei die
Kontrahenten aus den Augen ver-
liert.
Es sei an dieser Stelle noch ein-
mal betont: Insgesamt bot
Schiedsrichter Guido Winkmann
eine ansonsten sehr gute Leis-
tung in diesem äußerst schwer zu
leitenden Spiel. Davon bleibt lei-
der in der Öffentlichkeit wenig bis
gar nichts übrig.
■
Foto 11a
Foto 11b
Foto 12
Foto 13
Beim Kopfball stehen zwei Kölner im Abseits.
Hubnik schlägt den Ball Richtung Brecko (hinten rechts).
Jajalo tritt seinen
Gegner brutal um.
Der Zweikampf
Kobiashvili gegen
Podolski.