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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 2
für hohe Konzentration beim Assis-
tenten, der diese nicht alltägliche
Situation problemlos meisterte.
21.
SPIELTAG
■
VfB Stuttgart – Hertha BSC
Berlin
Nach einem Freistoß von links für
den VfB Stuttgart wird der Ball
Richtung Torraum geköpft. Fast
zeitgleich springen Herthas Tor-
wart Kraft und Ibisevic zum Ball.
Der Stürmer versucht allerdings
nicht, ihn zu köpfen, sondern ist
mit dem Fuß in Kopfhöhe um
Sekundenbruchteile schneller als
der Torwart und erzielt so das 1:0
(
Foto 7a)
.
Ein Kontakt zwischen
den beiden findet bei diesem spek-
takulären Tor zwar nicht statt, den-
noch hätte der Treffer nicht aner-
kannt werden dürfen, weil Ibisevic
mit seinem „hohen Bein“ den her-
anspringenden Torwart in Gefahr
bringt. Ein indirekter Freistoß für
Hertha BSC wäre besser gewesen.
In der Wahrnehmung des Schieds-
richters lag hier keine Behinde-
rung des Torwarts vor, sonst hätte
er den Treffer ja nicht anerkannt.
Sein Problem in diesem Moment:
Er hatte nach der Ausführung des
Freistoßes den falschen Laufweg
gewählt. Statt sich links in den
Strafraum zu begeben, um die für
die folgende Situation notwendige
Seiteneinsicht zu gewinnen, lief er
entlang der Strafraumlinie zur
Mitte
(
Foto 7b)
.
Aus dieser zentra-
len Position konnte er zwar den
Scherenschlag von Ibisevic erken-
nen, hatte aber keine Möglichkeit,
die Entfernung zwischen Torhüter
und Angreifer abzuschätzen.
DFB-POKAL
■
Hertha BSC Berlin – Borussia
Mönchengladbach
Viel ist gesprochen und geschrie-
ben worden über die schauspiele-
rische Leistung des Gladbachers
de Camargo und die Rote Karte für
den Berliner Hubnik in diesem
Viertelfinalspiel. Der Abwehrspie-
ler war im eigenen Strafraum,
nachdem ihn Igor de Camargo
geschubst hatte
(
Foto 8a)
und
Hubnik über seinen eigenen Tor-
wart gestürzt war, wutentbrannt
auf den Gladbacher zugestürmt
(
Foto 8b, nächste Seite)
und bot
ihm im wahrsten Sinne des Wortes
die Stirn. Dabei trat er ihm auch
noch auf den Fuß. De Camargo
stürzte zu Boden, wobei die TV-Bil-
der den starken Eindruck vermittel-
ten, dass es sich dabei um eine thea-
tralische Einlage handelte. Weil das
Spiel bis dahin nicht unterbrochen
war, gab es außer dem Feldverweis
für Hubnik auch noch einen Straf-
stoß gegen Hertha BSC.
Uns interessiert hier, ob der
Schiedsrichter diese Situation
hätte vermeiden können. Natür-
lich, sagen einige, mit einem Frei-
stoß-Pfiff für die Berliner beim
Schubser des Angreifers wäre alles
klar gewesen. Ob Hubnik nicht den-
noch auf de Camargo zugerannt
wäre, wissen sie natürlich auch
nicht, aber zumindest hätte es
wegen der Spielunterbrechung
dann keinen Strafstoß mehr geben
können.
Nun wird ja jedem Unparteiischen
angeraten – und in den Profiligen
geradezu von den Beteiligten
gefordert – das Spiel so selten wie
möglich zu unterbrechen. Und
wenn der Schiedsrichter dieses
Spiels argumentiert, dass er auf
diesen Pfiff verzichtet hat, weil der
Torwart den Ball bereits in den
Händen hielt und er ihm die Mög-
lichkeit geben wollte, das Spiel
„
schnell zu machen“, so kann man
ihm kaum widersprechen.
Dass der Torwart dieses „Vorteils-
Angebot“ nicht angenommen, son-
dern lieber seinem Mitspieler Hub-
nik bei dessen Aktion zugeschaut
hat, kann man dem Schiedsrichter
nicht zum Vorwurf machen. Er
wollte sich spielfördernd verhalten
und konnte beim besten Willen
nicht ahnen, dass Hubnik nach
einer solch harmlosen Aktion eine
derartige Attacke reiten würde.
Für die Schiedsrichter aller Spiel-
klassen lässt sich daraus aber
doch dies ableiten: Vorteil ist nicht
immer gleich Vorteil, schon gar
nicht in der eigenen Hälfte und
erst recht nicht im eigenen Straf-
raum. Rechtzeitiges Eingreifen und
sofortiges Unterbrechen unterbin-
den viele Situationen schon im
Vorfeld und lassen sie gar nicht
De Camargo stößt Hubnik in Richtung Torwart.
Der Schiedsrichter hat keine Seiteneinsicht.
Die Angst des Torwarts ist gut erkennbar.
Novakovic (im Torraum) hat nur einen Gegner vor sich.
Foto 6
Foto 7a
Foto 7b
Foto 8a