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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 2
Analyse
Auch wenn der Ball eindeutig
gegen den Arm des Hamburger
Verteidigers fliegt, kann weder von
einem absichtlichen Handspiel
noch von einer unnatürlichen Kör-
perhaltung gesprochen werden.
Der Arm beziehungsweise die Hand
bewegt sich nicht aktiv zum Ball.
Es handelt sich um eine natürliche
Körperbewegung, um die Balance
zu halten. Schiedsrichter Guido
Winkmann lässt völlig zu Recht
weiterspielen.
Bayern München – VfL Wolfsburg
Sehr viel näher an der Grenze zum
strafbaren Handspiel ist die Aktion
von Jerome Boateng beim Hoch-
springen in der „Mauer“ einzu-
schätzen
(
Foto 3)
.
Letztlich spre-
chen aber auch hier die Kriterien
für Weiterspielen: abgewinkelter,
aber fast am Körper angelegter
Arm, der sich nicht auf Gesichts-
beziehungsweise Kopfhöhe oder
gar darüber befindet. Zudem han-
delt es sich um eine doch relativ
natürliche Sprungbewegung. Hätte
Boateng seinen Arm weiter vom
Körper weg und deutlicher zum
Ball bewegt, wäre die Grenze über-
schritten gewesen. So lässt auch
Schiedsrichter Zwayer hier weiter-
spielen, und das ist absolut ver-
tretbar.
FSV Mainz 05 – SC Freiburg
Es läuft erst die 4. Minute dieses
Spiels: Der Mainzer Angreifer Sza-
lai läuft in hohem Tempo zentral in
den Strafraum hinein und hat den
Ball einschussbereit vor den Füßen
(
Foto 4)
.
Verteidiger Diagne, der
unmittelbar hinter ihm ist, berührt
beim Versuch, an den Ball zu kom-
men, seinen Gegenspieler. Der
kommt dadurch zu Fall. Schieds-
richter Schmidt erkennt auf Straf-
stoß.
Dadurch bleibt ihm nichts anderes
übrig, als den Regeln entspre-
chend den Freiburger Abwehrspie-
ler vom Platz zu stellen. Denn bei
der Persönlichen Strafe für das
Vereiteln einer klaren Torchance
spielt die Intensität des Foulspiels
keine Rolle. Das Foul kann so
klein“ sein, dass nicht einmal eine
Absicht vorliegen muss. Es reicht
die Fahrlässigkeit einer leichten
Berührung des Gegners, die ihn
aus dem Rhythmus und zu Fall
bringt, auch weil der Angreifer ja
häufig in hohem Tempo auf dem
Weg zum Tor ist.
20.
SPIELTAG
Ein Spieltag mit sehr vielen kniffli-
gen Abseits-Situationen, von
denen wir hier zwei noch einmal
betrachten wollen.
VfL Wolfsburg – Borussia Mön-
chengladbach
Bei einer flachen Hereingabe von
der linken Seite steht der Stürmer
Sebastian Polter knapp im Abseits
(
Foto 5a)
.
Er versucht dann mit
einem „langen Bein“ den Ball zu
erreichen, um ihn aufs Tor zu len-
ken. Der Wolfsburger verpasst den
Ball knapp
(
Foto 5b)
,
hat aber
gleich drei Kriterien erfüllt, die
seine Abseitsstellung strafbar
machen. Zunächst bindet er in
zentraler Position einen Abwehr-
spieler, geht dann aktiv zum Ball
und irritiert damit den Torwart.
Das Tor, das im nächsten Augen-
blick von Sio erzielt wird, kann
deshalb nicht anerkannt werden.
Assistent Sascha Thielert hat die
Situation perfekt „gelesen“ und
die Fahne schon gehoben, als der
Ball noch gar nicht im Tor ist.
1.
FC Kaiserlautern – 1. FC Köln
Ein Schuss des Kölners Jajalo von
der linken Seite wird von Torwart
Trapp zur Mitte hin abgewehrt. Cle-
mens schießt fast von der Straf-
raumgrenze aufs Tor
(
Foto 6)
.
Sein
Kollege Novakovic lenkt den Ball
mit dem Kopf ins Netz – und muss
seinen Jubel schnell wieder abbre-
chen. Denn Mike Pickel signalisiert
Schiedsrichter Stark eine Abseits-
stellung des Kölners. Und zwar zu
Recht, auch wenn Novakovic rekla-
miert, dass doch ein Abwehrspieler
auf der Linie gestanden hätte.
Das hatte er zwar gut erkannt, ent-
gangen war dem vermeintlichen
Torschützen allerdings, dass dies
der einzige Gegner war, den er
noch vor sich hatte, als sein Kollege
Clemens den Ball schoss. Torwart
Trapp war nämlich bei seiner
Abwehraktion aus dem Tor heraus-
gekommen und nun beim Schuss
von Clemens lediglich der dritt-
letzte Abwehrspieler. Ein Beispiel
Foto 3
Foto 4
Foto 5a
Foto 5b
Strafbar? Der Ball fliegt an Boatengs Ellenbogen.
und versucht mit einem Sprung an den Ball zu kommen.
Beim Abspiel steht Polter knapp im Abseits…
Szalai hat eine eindeutige Torchance.