Torlinien-Technologie rückt näher
Der International Football Association Board (IFAB) trat am 3. März 2012
im englischen Surrey zu seiner jährlichen Generalversammlung zusam-
men – zum 126. Mal. Im Mittelpunkt standen vor allem die Bewertung und
Einführung der Torlinien-Technologie. Eine Entscheidung für den Chip im
Ball oder die Torkamera ist allerdings noch nicht gefallen.
In einer ersten Testphase hatten acht Unternehmen im November und
Dezember 2011 ihre Torlinien-Technologie-Systeme vorgestellt. Zwei Kan-
didaten sind nach einem Gutachten der schweizerischen EMPA (Eidgenös-
sische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) weiterhin im Rennen –
„
HawkEye“ und „GoalRef“ erhielten die Empfehlung der EMPA. Während
das System von HawkEye mit Kameras und optischer Erkennung der
Spielsituation arbeitet, setzt GoalRef auf ein magnetisches Feld und
einen besonderen Ball mit integrierter Elektronik bei der Bewertung der
Torsituation. Im Rahmen der zweiten Testphase von März bis Juni sollen
nun die Zuverlässigkeit und die Belastbarkeit der beiden Systeme getes-
tet werden.
Sollten nach der zweiten Testphase eines oder beide Systeme die gefor-
derten Kriterien erfüllen, wird der IFAB auf einer Sondersitzung einen Tag
nach dem EM-Finale in Kiew am 2. Juli 2012 endgültig über die Zulassung
der Torlinien-Technologie entscheiden.
Herbert Fandel, der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichter-Kommission,
begrüßt die geplante Einführung der Torlinien-Technologie durch die FIFA.
„
Ich freue mich darüber, weil es Schiedsrichter bei der Frage, ob der Ball
im Tor war oder nicht, nur entlasten kann. Das hilft dem Schiedsrichter
und dem Fußball – aber bitte so was auch nur bei dieser einen Frage“,
sagte Fandel der Nachrichtenagentur dpa. Dass die Rückmeldung durch
die Torlinien-Technologie innerhalb einer Sekunde und unsichtbar für das
Publikum – etwa per Vibration oder auf seiner Uhr – an den Schiedsrich-
ter erfolgen soll, sei laut Fandel genau die richtige Vorgehensweise.
Nimmt der IFAB im Juli den Einsatz der Systeme in die Regeln auf, dann
könnte die neue Technologie bereits bei der Klub-WM in Japan im Dezem-
ber und beim Confederations Cup 2013 in Brasilien zum Einsatz kommen.
Der deutsche Schiedsrichter-Chef sprach sich in diesem Zusammenhang
gegen die von UEFA-Präsident Michel Platini favorisierte Lösung mit den
„
zusätzlichen Schiedsrichter-Assistenten“, den so genannten Torrichtern,
aus, die derzeit unter anderem in der Champions League und der Europa
League testweise im Einsatz sind. „Bei dieser Dynamik im heutigen Fuß-
ball können wir noch so viele Torrichter einsetzen. Lasst uns die Fehler-
quelle nicht von einem Menschen auf einen anderen verschieben. Wir
brauchen 100-prozentige Sicherheit“, forderte der ehemalige FIFA-
Schiedsrichter.
Doch noch läuft der „Wettbewerb“ Mensch gegen Technik. Die Testphase
mit den zusätzlichen Schiedsrichter-Assistenten wird mit der EM in Polen
und der Ukraine ihren Abschluss finden und ebenfalls in der IFAB-Sitzung
in Kiew bewertet.
Dort soll dann auch das Verbot von Kopftüchern für Spielerinnen fallen.
Der IFAB stimmte dem Vorschlag grundsätzlich schon zu, das Tragen von
Kopftüchern vorbehaltlich einer beschleunigten Untersuchung von
Gesundheits- und Sicherheitsbedenken zu erlauben. Die Entscheidung soll
muslimischen Frauen den Zugang zum Fußball rund um den Globus verein-
fachen.
Der IFAB legte in seiner Sitzung Anfang März außerdem in einer Neufas-
sung der Regel 1 (Das Spielfeld) die genaue Position aufrecht stehender
Werbetafeln fest. Eine weitere Neufassung betrifft die Regel 4 (Ausrüstung
der Spieler), nach der Tapes nur noch in der Farbe der jeweiligen Stutzen
verwendet werden dürfen. Regel 8 (Beginn und Fortsetzung des Spiels)
definiert nun genau die von den Offiziellen zu ergreifenden Maßnahmen,
sollte ein Spieler den Ball bei einem Schiedsrichter-Ball ohne Gegner
direkt ins Tor schießen. Das Gremium erlaubt den Fußballverbänden, ein
sich schnell verflüchtigendes Farbspray als Hilfsmittel zu verwenden, um
bei Freistößen den korrekten „Mauer“-Abstand zum Ball zu markieren,.
Alle vom IFAB bezüglich der Spielregeln getroffenen Entscheidungen tre-
ten mit Blick auf die EM-Endrunde (8. Juni bis 1. Juli) bereits am 1. Juni in
Kraft. Die offiziellen Formulierungen des Regeltextes werden nach der
Herausgabe durch die FIFA in der DFB-Schiedsrichter-Zeitung veröffent-
licht.
Die FIFA stimmte zu, den von ihr eingereichten Änderungsantrag der
Regel 3 (Zahl der Spieler) in Bezug auf eine vierte Einwechslung bei Ver-
längerungen zurückzuziehen. Der IFAB erteilte jedoch den vier britischen
Fußballverbänden die Genehmigung, ein zweijähriges Experiment zur
Änderung der Anzahl der zulässigen Einwechslungen im Amateurfußball
durchzuführen.
Der vom DFB eingereichte Änderungsantrag bezüglich der Regel 12 (Ver-
botenes Spiel und unsportliches Betragen) zur so genannten „Dreifachbe-
strafung“ wird weiter geprüft. Dabei geht es um die dreifache Bestrafung
bei einer „Notbremse“ im Strafraum – Strafstoß, Feldverweis, Sperre. Da
die Torchance durch den Strafstoß wieder hergestellt wird, wird der Feld-
verweis mit nachfolgender Sperre als unverhältnismäßig angesehen – die
eindeutige Chance, ein Tor zu erzielen, wird der Mannschaft des Gefoulten
ja nicht genommen. Dieses Thema wird in den kommenden IFAB-Treffen
erneut diskutiert werden.
Die 127. jährliche IFAB-Generalversammlung findet vom 1. bis 3. März 2013
in Edinburgh (Schottland) statt.
David Hennig
126.
Generalversammlung des IFAB
Chip im Ball, Anzeige auf der Uhr – ob es so kommt?
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