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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 2 / 2 0 1 2
gen in Champions- und Europa-
League, DFB-Pokal, 2. und 3. Liga
sowie Regionalliga – etwa 50
Begegnungen pro Saison.
Kein Wunder, dass sich der halb-
tags bei der Sparkasse beschäftigte
Bankkaufmann aus Landshut für
ein Grundsalär für Referees stark
gemacht hat: „Das könnte Frei-
räume schaffen und eine gewisse
Sicherheit geben, wenn man mal
verletzt ist oder drei, vier Wochen
nicht berücksichtigt wird.“ Gegen
einen Fulltimejob mit der Pfeife
spricht sich Stark ebenso aus wie
die DFB-Schiedsrichter-Funktionäre
Herbert Fandel und Lutz Michael
Fröhlich: „Es bedeutet ja nicht,
dass man besser pfeift, wenn man
Profi-Schiedsrichter ist.“
Heute bekommt Stark wie seine
Kollegen 3.800 Euro pro Bundes-
liga-Partie. Bei seinem Premieren-
Spiel am 4. April 1997 zwischen
dem 1. FC Köln und dem MSV Duis-
burg gab es 2.500 Mark. Seitdem
habe sich viel verändert. „Es wird
Jahr für Jahr nicht einfacher“,
sagt der Olympia-Referee von
Peking 2008. „Die Spiele sind
schneller geworden, athletischer.
Es wird viel mehr verlangt, es gibt
mehr Zweikämpfe, mehr kritische
Situationen zu bewerten. Die Sta-
dien sind fast alle ausverkauft und
das Medieninteresse hat zugenom-
men.“
Kein Profitum, aber professionelle
Strukturen – das will auch der
deutsche Spitzen-Schiedsrichter:
„
Da muss sich demnächst bei uns
was tun“, fordert Stark. „Die Leis-
tungsprüfungen müssen noch spe-
zifischer werden. Wir müssen mehr
trainieren und die Spiele im Team
noch professioneller aufarbeiten.“
Das alles, weiß Stark, sei mit noch
mehr Zeitaufwand verbunden.
Unter Strom steht Stark auf dem
Platz immer, mit dem Druck konnte
der Jubilar bisher ganz gut umge-
hen - auch als es in der vergange-
nen Saison einige Male herbe Kri-
tik an seinen Leistungen und sei-
nem Auftreten gab. „Die Messlatte
nach der WM war sehr hoch. Ich
habe Fehler gemacht und bin
durch ein kleines Tal gegangen.
Blick in die Presse
Ulrike John,
die für die Deutsche
Presse-Agentur (dpa) häufig über
Schiedsrichter schreibt, beschäf-
tigte sich in ihrer Vorschau auf
den 18. Bundesliga-Spieltag mit
einem seltenen Jubiläum.
Blumen für den Schiedsrichter –
wann gibt’s das schon? Am Sonn-
tag für Wolfgang Stark: Der FIFA-
Referee aus Ergolding pfeift mit
der Partie Hamburger SV – Borus-
sia Dortmund sein 250. Bundes-
liga-Spiel. „Rein theoretisch“, sagt
er der Nachrichtenagentur dpa,
könne er noch den Rekord von
Markus Merk (339) brechen. „Ich
bin 42, kann noch fünf Jahre aktiv
sein, wenn ich gesund bleibe. Aber
das ist kein konkretes Ziel, ich
schaue da nicht auf die Statistik.“
Stark gilt trotz einer Schwäche-
phase nach seinem WM-Einsatz
2010
in Südafrika als der starke
Mann seiner Zunft: Er ist auch als
einziger deutscher Unparteiischer
für die Europameisterschaft in
Polen und der Ukraine nominiert.
Stark verbirgt seinen Stolz nicht.
„250
Einsätze - das ist eine Super-
sache. Es ist ja bei uns nicht wie
bei Stammspielern in der Bundes-
liga, die kommen auf viel mehr
Einsätze in einer Saison.“ Insge-
samt leite er aber – mit Begegnun-
Starkes Stück
Viele Zeitlupen –
wenig Aufschluss
Für alle diejenigen, die seit Jahren
den intensiven Einsatz „Techni-
scher Hilfsmittel“ in den Fußball-
Profi-Ligen fordern, um zumindest
im Zusammenhang mit Torerzie-
lungen mögliche Fehlentscheidun-
gen zu vermeiden, bot die schwer
umkämpfte Bundesliga-Partie zwi-
schen Nürnberg und Hoffenheim
hoffentlich lehrreichen Anschau-
ungsunterricht. Sechs Gelbe und
zwei Rote Karten, viel Kampf und
Krampf, zahlreiche gerade noch
erlaubte oder schon verbotene
Zweikämpfe: Schiedsrichter
Dr. Jochen Drees hatte es nicht
leicht, dennoch leitete er gut – und
das auch ohne „Technische Hilfs-
mittel“.
In der 39. Minute setzte sich Hof-
fenheims Ibisevic im Mittelfeld
gegen Nürnbergs Wollscheid
durch, spielte den Ball nach links
raus, spurtete in die Mitte und
köpfte die Flanke zur Hoffenhei-
mer 1:0-Führung ein. Einige
Zuschauer im Stadion oder an den
Fernsehschirmen wollten nun ein
„
Foulspiel“ von Ibisevic an Woll-
scheid ausgemacht haben. Nun
gut, schau’n mer mal, was die
Fernsehbilder sagen…
■
Sender Nr. 1, Liga total, HD-
Live-Konferenz:
Gefühlte 100-Mal
wird der Zweikampf zwischen Ibi-
sevic und Wollscheid von vorn und
von hinten, von der Seite, von rechts,
von links, von oben, von unten und
sonstigen Perspektiven wiederholt –
mal langsamer, mal schneller. Erst
dann ist der, zunächst ein wenig
zögernde, Reporter sicher: „Für
mich ist das kein Foul.“ Wobei sich
interessanterweise die Analysen
der verschiedenen Liga-total-Kom-
mentatoren vorübergehend deut-
lich unterscheiden – je nachdem,
welchen Kanal man wählt: die Kon-
ferenz, die „Highlights“ oder das
ganze Spiel.
■
Sender Nr. 2, ARD-Sportschau:
Gezeigt wird eine völlig unscharfe
Zeitlupe, auf der man rein gar
nichts erkennt. Es gibt allerdings
eine Fortentwicklung gegenüber
Liga total: Die unscharfe Szene
wird eingekreist. Mehr sehen kann
man dadurch nicht. Einzig und
allein der Reporter im Ersten ahnt:
Ibisevic „scheint“ seinen Gegner
Wollscheid „zu checken“. Es
„
scheint“ also etwas gewesen zu
sein, das Dr. Jochen Drees hätte
ahnden „müssen“. Ah, ja…
■
Sender Nr. 3, ZDF-Sportstudio:
Gezeigt werden ein paar mehr
genauso unscharfe Zeitlupen, auf
denen man viel sieht, nur kein
Foul. Auch im ZDF wird die kaum
erkennbare Situation umkreist,
dazu auch das – sehr gute – Stel-
lungsspiel des Schiedsrichters her-
ausgestellt, der – neun Meter ent-
fernt stehend – vermutlich den
besten Blick von allen auf die
Szene hatte. Da man im Zweiten
aber besser sieht, ist sich der
Reporter absolut sicher: „Das war
ein klares Foul.“ Hier hätte der
Referee also unterbrechen müs-
sen. Der Reporter sollte Schieds-
richter werden – bei solch
unglaublich guten Augen…
■
Sender Nr. 4, Sport1, Doppelpass:
Auch hier wieder etliche Zeitlupen,
Rückblenden und „Slow Motion“.
Reporter und Talkrunde tendieren
eher Richtung „kein Foul“ – und für
den Schiedsrichter, der sich spon-
tan und ohne „Technische Hilfsmit-
tel“ entschied, das Spiel weiterlau-
fen zu lassen.
Freuen wir uns also auf die Zeiten,
wenn das erste Mal in unseren Fuß-
ballstadien „Technische Hilfsmit-
tel“ eingesetzt werden, damit
„
professionell“ entschieden wer-
den kann. Nur: Welche Kameraper-
spektive wählen wir dann – und
welchen Sender?
■
Für die „Allgemeine Zeitung“ und
weitere Blätter der „Ippen-Gruppe“
hat sich
Marco Haase
die Beurtei-
lung einer wichtigen Szene bei den
verschiedenen TV-Sendern ange-
schaut.
Die Top Ten
1.
Markus Merk
339
2.
Wolfgang Stark
250
3.
Herbert Fandel
247
4.
Hellmut Krug
240
5.
Florian Meyer
215
6.
Edgar Steinborn
201
7.
Lutz Michael Fröhlich 200
8.
Lutz Wagner
197
9.
Hermann Albrecht
192
10.
Michael Weiner
190
Stand 22. 1. 2012
Aber es zeichnet einen auch aus,
wenn man wieder aus dem Tal her-
auskommt.“
Schiedsrichter mit den
meisten Bundesliga-Spielen