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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 2 / 2 0 1 2
Titelthema
stimmung auf die bevorstehende
Aufgabe bei. Ich bekomme dabei
ein Gefühl, wie die Kollegen drauf
sind, kann konkrete Fragen beant-
worten oder auch mal, falls nötig,
zur Auflockerung beitragen.
Auf welche Aspekte der Zusammen-
arbeit legen Sie persönlich beson-
deren Wert?
Drees:
Für mich ist sicherlich das
Wichtigste, dass jeder sich immer
wieder darüber klar wird, dass er
als vollwertiges Mitglied des
Teams seinen Teil zur erfolgrei-
chen Leitung beitragen muss. Dazu
ist es auch erforderlich, Entschei-
dungs-Egoismus hinten anzustel-
len und die Rolle des Schiedsrich-
ters als „Teamleader“ zu akzeptie-
ren.
Welche neuen Möglichkeiten bietet
das Headset für ein erfolgreiches
„
Teamplay“?
Drees:
Es ist eine logische Weiter-
entwicklung der kommunikativen
Möglichkeiten und bietet die Chance,
sich vor allem in problematischen
Situationen kurz miteinander zu
verständigen, zum Beispiel bei Ver-
gehen hinter dem Rücken des
Schiedsrichters, bei der Einschät-
zung von Fouls, bei Fragen von
Persönlichen Strafen oder der Pär-
chenbildung. Zudem kann ich die
Einheitlichkeit der Entscheidungs-
linie einfacher herstellen und vor
allem ohne irgendeine Außenwir-
kung mit den Assistenten kommu-
nizieren. Wenn es früher bei unkla-
ren Situationen mal notwendig
war, zum Assistenten hinzulaufen
und miteinander zu sprechen,
hatte man immer gleich einige
Spieler im Schlepptau, die dann
gern an der Diskussion zwischen
Schiedsrichter und Assistent teil-
nehmen wollten. Das brachte meist
viel Unruhe. Grundsätzlich gilt für
mich beim Einsatz des Headsets
aber uneingeschränkt die Devise:
„
Weniger ist mehr“. Schließlich
stehen nach wie vor die üblichen
Kommunikationsmittel wie Funk-
fahnen, Körpersprache und Gestik
zur Verfügung und kommen bei
mir gleichwertig zum Einsatz.
Ein Unterschied zwischen Bundes-
liga- und Amateurfußball ist auch
der Vierte Offizielle, der im Profi-
bereich das Schiedsrichter-Team
komplettiert.
Drees:
Der darf sich ja inzwischen
per Headset uneingeschränkt ein-
bringen und Entscheidungen
unterstützen. Das ist gerade
wegen seiner speziellen Perspektive
aus dem Bereich der Coaching-
Zonen sehr wichtig – diesen Blick-
winkel haben ja auch die Trainer
und Offiziellen. Wichtig finde ich
auch für Nachwuchs-Schiedsrich-
ter, egal ob sie als Assistent oder
Vierter Offizieller zum Einsatz
kommen, dass sie über das Head-
set einen direkten Eindruck von
der Kommunikation des Schieds-
richters mit den Spielern bekom-
men. So ist das Headset für sie
auch eine Art Anschauungswerk-
zeug.
Inwieweit besteht auch innerhalb
der Schiedsrichter-Teams im Profi-
fußball ein echtes Gemeinschafts-
gefühl?
Drees:
Ich bin ein großer Verfech-
ter des Teamgedankens und der
festen Besetzung von Schiedsrich-
ter-Teams. In meinem Team ist zum
Beispiel Tobias Christ in den letz-
ten Jahren zu einer festen Größe
geworden. Deshalb ist es für mich
inzwischen immer ein wenig unge-
wohnt, wenn ich einmal ohne ihn
zu einem Spiel fahre. Ich habe zu
Tobias uneingeschränktes Vertrauen
und weiß, dass ich mich auf und
neben dem Platz zu hundert Pro-
zent auf ihn verlassen kann. Auch
in anderen Teams bestehen echte
Freundschaften. Ich weiß von
Schiedsrichtern, die bei ihren
Team-Kollegen Trauzeugen sind
oder Patenschaften bei den Kin-
dern übernehmen. Während des
gemeinsamen Abendessens am
Tag vor unseren Spielen reden wir
nur ganz selten über Fußball. Dies
alles führt zu einem tollen Gemein-
schaftsgefühl innerhalb des
Teams, was dann ganz sicher auch
zu Topleistungen auf dem Platz
beiträgt.
■
Klärungsbedarf: Damit der Assistent ihn besser hören kann,
hält Jochen Drees die Hand vor das Mikrofon des Headsets.
Tobias Christ (links) kommt schon seit 2004 bei Jochen Drees als Assistent zum Einsatz – hier
mit Torsten Bauer bei einem Spiel in Mönchengladbach.