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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 2 / 2 0 1 2
Halbzeit-Tagung
Tobias Stieler hatte gut
Für den hessischen Zweitliga-Schiedsrichter war die Halbzeit-Tagung der Lizenzliga-Schiedsrichter eine
tung. Die DFB-Schiedsrichter-Kommission beschloss nämlich auf einer Sitzung während des Lehrgangs
in die Bundesliga. Wie der 30-jährige Jurist reagierte und was sonst noch in den drei Tagen von Mainz
und David Bittner beobachtet.
A
ls Herbert Fandel am Samstag-
mittag Tobias Stieler zur Seite
genommen hatte, überbrachte
ihm der Vorsitzende der DFB-
Schiedsrichter-Kommission die
Nachricht, von der nicht nur jeder
Zweitliga-Schiedsrichter träumt:
Du wirst ab sofort auch in der
Bundesliga eingesetzt!
Durch diesen Beschluss, den die
Kommission während der Halb-
zeit-Tagung der Lizenzliga-
Schiedsrichter in Mainz fasste
und den am 27. Januar das DFB-
Präsidium bestätigte, wurde der
Platz auf der Bundesliga-Liste
wieder besetzt, den Marc See-
mann im vergangenen Sommer
freigemacht hatte.
Nachdem im Dezember 2011 zu
hören war, dass ein Schiedsrich-
ter in die Bundesliga aufrücken
könnte, hatte ich mir schon Hoff-
nungen gemacht“, gibt Tobias
Stieler zu. So war die Überra-
schung über den Aufstieg nicht
mehr ganz so groß, was der gro-
ßen Freude aber keinen Abbruch
tat. Unzählige Glückwünsche
erreichten ihn auf allen Wegen
der heutigen Kommunikations-
Möglichkeiten. „Meine Eltern sind
natürlich besonders stolz und
sammeln seitdem jeden noch so
kleinen Zeitungsausschnitt“,
erzählt der 30-Jährige.
Der „technisch anspruchsvolle,
hochwertige Fußball mit vielen
Emotionen auf und neben dem
Platz“ ist es, auf den er sich in
der Bundesliga freut. Völlig unbe-
kannt ist Tobias Stieler die neue
Spielklasse nicht – im Gegenteil:
Bereits seit dreieinhalb Jahren ist
er als Assistent und Vierter Offi-
zieller in der Bundesliga im Ein-
satz und konnte so schon wertvolle
Erfahrungen sammeln. Zum Bei-
spiel beim Revier-Derby zwischen
Borussia Dortmund und dem
FC Schalke 04 im September 2008:
Dieses Spiel war für den Unpartei-
ischen aus Hessen bis dahin der
Höhepunkt seiner Zeit als Assis-
tent – und zugleich der Tiefpunkt.
Es war ein unglaublich emotiona-
les Spiel, Dortmund lag bereits
zur Halbzeit mit drei Toren zurück
und glich in der letzten Minute
noch aus. Leider lief das Spiel für
mich nicht gut, ich übersah bei
dem Anschlusstreffer der Dort-
munder ein deutliches Abseits –
eine krasse Fehlentscheidung“,
sagt Tobias Stieler heute. Das
Medienecho fiel damals dement-
sprechend aus. „Aber dieses Spiel
war auch sehr lehrreich, weil ich
sehr deutlich die Schattenseiten
unseres Jobs präsentiert bekam.“
Ebenso interessant fand Tobias
Stieler übrigens die Erfahrung,
wer sich nach seiner eklatanten
Fehlentscheidung meldete, um ihn
wieder aufzubauen: „Es waren
nicht annähernd so viele wie die
Zahl derer, die mir jetzt zum Auf-
stieg gratulierten.“
Ohnehin hat Tobias Stieler, der als
Jurist in einer großen Kanzlei in
München arbeitet, inzwischen
gelernt, die Dinge im Leben rich-
tig einzuordnen und zu bewerten:
Tobias Stieler kommt aus Obertshausen in Hessen und pfeift für die SG Rosenhöhe in Offen-
bach. Bis zu seinem Aufstieg leitete er 21 Spiele in der 2. Bundesliga und war 45-mal als
Bundesliga-Assistent im Einsatz.