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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 2 / 2 0 1 2
es Ende
ter-Wesen im Osten
de er 1952 der erste FIFA-
und als Sport-Funktionär.
übergeordnet. Ewald, der 36 Jahre
lang Chef des DDR-Sports bleiben
wird, macht aus seiner Abneigung
gegen den Fußball kaum einen
Hehl.
Dieses neue Gremium schickt der
von Präsident Fritz Gödicke und
Gerhard Schulz geleiteten Fußball-
Sektion eine als „Instrukteursbri-
gade“ bezeichnete Kontroll-Kom-
mission auf den Hals – zur „Evalu-
ierung“ der Arbeit würde man
heute wohl sagen. Das Perfide an
der Sache: Zu diesem Zeitpunkt, im
November 1952, weilt Gödicke
(
damals erst 33 Jahre alt) zur Trai-
ner-Ausbildung in Leipzig. Und Ger-
hard Schulz wurde dazu verpflich-
tet, seit Oktober an einem fünfmo-
natigen Lehrgang als „Schüler“ an
der neuen Deutschen Sportschule
in Ludwigsfelde teilzunehmen.
Zudem ist die Zentrale des Fuß-
balls hoffnungslos unterbesetzt.
Sieben Funktionäre und eine
Sekretärin sollen die 300.000 Fuß-
baller der gesamten Republik
anleiten und führen.
Die „Brigade“ fällt ein vernichten-
des Urteil über die Sektion Fußball:
Unter der Überschrift: „Wie lange
soll das noch so weitergehen?“
werden Anfang 1953 im „Deutschen
Sportecho“, der einflussreichsten
Sportpublikation der DDR, seiten-
lang die vermeintlichen und tat-
sächlichen Versäumnisse von
Gödicke, Schulz und Co. aufge-
führt. Vor allem die „politisch-
moralische Erziehung“ der Fußbal-
ler komme zu kurz, wird moniert.
Der Hintergrund der Attacke ist ein
Konflikt, der den Sport der DDR in
seiner gesamten Geschichte
begleiten wird: Als populärster
Sport soll natürlich auch der Fuß-
ball zum Beweis der Überlegen-
heit des Sozialismus dienen. Aber
das klappt eigentlich nie. Den
wichtigsten Grund nennt Volker
Kluge, als ehemaliger Sportchef
der Tageszeitung „Junge Welt“ ein
exzellenter Kenner des DDR-
Sports: „In keine Sportart wurde
so viel investiert wie in diese, in
keine andere so hineingeredet.“
Letztlich führen der Kommissions-
bericht und die öffentliche Kam-
pagne zum Rücktritt von Präsi-
dent Gödicke im Oktober 1953. Ger-
hard Schulz ist inzwischen nur
noch ehrenamtlicher Vorsitzender
des Schiedsrichter-Ausschusses,
seine Festanstellung als Schieds-
richter-Lehrer hat er schon im
Frühjahr verloren – auf „Empfeh-
lung“ der Untersuchungskommis-
sion: „… sehen wir für einen haupt-
amtlichen Schiedsrichter-Lehrer
keine Perspektive“, heißt es in dem
Bericht.
Da ist Schulz gerade zurück von
dem Funktionärs-Lehrgang in Lud-
wigsfelde. Sein Zeugnis beschei-
nigt ihm „Fleiß und vielseitiges
Interesse“. Neben seiner schäd-
lichen „Neigung zum Individua-
lismus“ müsse er allerdings unter
anderem noch „Reste kleinbürger-
licher Denkweisen überwinden“.
Aber der kluge Sachse hat sich
längst ein Netzwerk an einflussrei-
chen Männern mit einem Faible für
den Fußball aufgebaut, das ihn
auffängt. Zum 1. Juni kommt er als
„
Zivilangestellter“ mit einem
Gehalt von 1.300 Mark beim ZSK
(
später ASK) Vorwärts Berlin unter –
Generalleutnant Heinz Hoffmann,
damals Chef der Kasernierten
Volkspolizei (Vorläufer der Natio-
nalen Volksarmee), macht es mög-
lich.
***
All’ diese Querelen können Schulz
aber nicht davon abhalten, seine
Karriere als Aktiver voranzutrei-
ben. Denn auf dem Platz kann ihm
nach wie vor niemand das Wasser
reichen. Im Juni 1953 ist er gleich
zweimal international im Einsatz –
zunächst als Linienrichter beim
WM-Qualifikationsspiel CSR gegen
Rumänien. Und dann, am 28. Juni,
leitet Gerhard Schulz als erster
Schiedsrichter der DDR ein A-Län-
derspiel – Rumänien gegen Bulga-
rien, Europa-Gruppe 8.
Die Umstände seiner Reise zu
diesem WM-Qualifikationsspiel
klingen aus heutiger Sicht fast
abenteuerlich: „Die Eisenbahnfahrt
im D-Zug Berlin – Bukarest währte
Mit 53 noch
in der DDR-Oberliga
1906
Geburt in Leipzig
1924
Schiedsrichter-Prüfung
1932
Meisterprüfung
als Buchdrucker
1933
Vorsitzender Schiedsrichter-
Ausschuss Leipzig
1936
Sachbearbeiter Fußball im
Reichsbund für Leibesübungen
1939
Deutsches Endspiel, Meldung
zur FIFA
1941
Einberufung zur Wehrmacht
1945
Rückkehr nach Sachsen
1948
Hauptberuflich Schiedsrichter-
Lehrer
1949
Leiter der Fußballsparte im
Deutschen Sportausschuss,
Schiedsrichter des Ostzonen-
Endspiels
1950
Finale um den FDGB-Pokal
1951
Vorsitzender der neu gegründe-
ten Schiedsrichter-Kommission
1952
Meldung zur FIFA
1953
Erstes Länderspiel: Rumänien -
Bulgarien
Hauptberuflich Jugendleiter
beim ASK Vorwärts Berlin
1
954
Rücktritt aus der Schiedsrich-
ter-Kommission, zum Ehrenvor-
sitzenden berufen
1955
Finale um den FDGB-Pokal
1959
Mit 53 Jahren letztes Spiel in
der DDR-Oberliga.
1961
Zum 31. Dezember Entlassung
als hauptamtlicher Jugendleiter
beim ASK Vorwärts Berlin
1969
Tod in Berlin
Gerhard Schulz in Stichworten
Leo Horn (Niederlande, rechts) bedankt sich bei Gerhard Schulz
für dessen Hilfe beim Länderspiel DDR gegen Bulgarien 1955.