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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 1 / 2 0 1 2
Ich habe gern gepfiffen!“
Selbstbewusst
Die schönsten Spiele für uns Schiedsrichter sind die, die viel Zünd-
stoff enthalten, aber am Ende doch nicht explodieren – weil wir da
sind.“
Geld
Die Doppelbelastung als FIFA-Schiedsrichter, der voll im Berufsleben
steht, bedeutete natürlich manches Mal ein bisschen Stress. Aber nur
durch eine bessere Bezahlung zieht man sich keine besseren Schieds-
richter heran.“ (Damals gab es in der Bundesliga 24 Mark pro Tag.)
Uns Uwe
Uwe Seeler war auf dem Platz immer sehr engagiert und trotzdem fair –
er hat sich immer aufs Spiel konzentriert, nie auf den Schiedsrichter.“
Schlagfertig
Was soll das, Schulenburg? Wir wollen doch Fußball spielen!“
(
Lothar Emmerich, Borussia Dortmund, während des Spiels gegen den
VfB Stuttgart)
Ich warte schon eine halbe Stunde darauf, dass ihr endlich mit Fuß-
ball anfangt!“
(
Gerd Schulenburgs Antwort)
Auf der Insel
Besondere Spiele? Das waren ohne Zweifel die beiden Begegnungen
England – Schottland und Schottland – England.“ (Sie wurden von
zusammen fast 240.000 Zuschauern besucht.)
Helfer
Wolfgang Overath musste man kennen, der versuchte zunächst alle
Tricks. Aber wenn man ihm einmal die Grenze gesetzt hatte, war er für
den Schiedsrichter der beste Helfer auf dem Platz – und im Übrigen
natürlich ein sehr guter Fußballspieler.“
Handschlag
Ich kann mich sogar noch an mein erstes internationales Spiel erin-
nern: Helsinki gegen Malmö am 1. September 1960, im Olympiastadion
in Helsinki. Da waren 1.500 Zuschauer, die haben wir fast alle per
Handschlag begrüßt.“
Bekenntnis
Ich habe gern gepfiffen!“
Klartext von „Schule“
1980:
Das Grußwort beim 10.
Geburtstag der Schiedsrich-
ter-Vereinigung Hannover
spricht DFB-Obmann Johan-
nes Malka, umrahmt von den
Freunden Gerhard Schulen-
burg und Ludwig Fischer.
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Jahre später: Ludwig
Fischer und „Schule“ stöbern
in Erinnerungen.
SRZ-Mitarbeiter Marco Haase im Gespräch mit dem „Altmeister“.
Am 27. März 1971 wird Schulen-
burgs Frohnatur unmittelbar vor
dem Anpfiff der Bundesliga-Partie
1.
FC Köln – Borussia Mönchenglad-
bach (3:2) eindrucksvoll dokumen-
tiert: Die Spielführer Wolfgang
Overath und Günter Netzer treffen
sich mit Gerhard Schulenburg zur
Platzwahl. Man kennt sich ja
schon länger, es wird gescherzt
und gewitzelt, ja, es wird sogar
lauthals gelacht. Was beim
Schiedsrichter allerdings etwas
länger anhält als bei den zwei
Kapitänen.
Genau in diesem Moment drückt
der Fotograf der Agentur Werek auf
den Auslöser – und es entsteht
eines der bekanntesten Sportfotos
des Jahres 1971, das bis heute gute
Laune macht, wenn man es nur
anschaut: Man hört Gerd Schulen-
burg förmlich lachen, wenn man
das Motiv betrachtet. Und auch er
selbst kann nicht ernst bleiben,
wenn er das Bild sieht: „Der Foto-
graf hat mir mal erzählt, dass er mit
dem Foto viel Geld verdient hat“,
schmunzelt er. Und macht sich
dann 40 Jahre später einen Spaß
daraus, sich selbst nachzumachen.
Keine Frage, die Szene von 1971
wäre heute im Internet auf Youtube
ein Renner.
Auch nach seinem Abschied aus der
Bundesliga und von der internatio-
nalen Bühne nach der WM 1974
bleibt Gerd Schulenburg aktiv – als
Schiedsrichter, als Altliga-Spieler,
als Leiter des Trainings der Schieds-
richter-Gruppe Hannover, als Vor-
standsmitglied. Unter anderem bil-
dete er Uwe Kemmling aus – den
späteren Erstliga-Schiedsrichter.
Selbst als Weihnachtsmann für die
Kinder-Weihnachtsfeiern unserer
Schiedsrichter-Vereinigung war er
noch jahrelang aktiv – Gerd war, ist
und bleibt ein Mann der Basis“, sagt
der ehemalige DFB-Schiedsrichter
Ludwig Fischer (71). Der Gründer
und erste Vorsitzende der Schieds-
richter-Vereinigung Hannover zwi-
schen 1970 und 1994 ist mit Schu-
lenburg immer noch eng verbunden
und hat uns zu unserem Besuch
nach Laatzen begleitet.
Erst 1988 zieht sich Schulenburg,
der 61 Jahre lang glücklich mit sei-
ner im vergangenen Jahr verstor-
benen Frau Irmgard verheiratet war,
langsam zurück – ganz langsam.
Auch beruflich: Der langjährige
Geschäftsführer einer Krankenkasse
geht in den wohlverdienten Ruhe-
stand.
Am Puls der Zeit sitzt Gerd Schulen-
burg bis heute – und sieht manche
Dinge durchaus kritisch: „Die Kom-
merzialisierung, das viele Geld, das
hat unserem Sport nicht gut getan“,
sagt er und meint damit alle Berei-
che des Fußballs. Und er selbst? „Es
hat sich gelohnt“, sagt der 85-jährige
Gerd Schulenburg rückblickend: „Ich
würde alles noch einmal so machen.“
Mit einem Lächeln nimmt „Schule“
noch einen Schluck des inzwischen
frisch gebrühten Latte Macchiato
und freut sich auf die Sportschau –
auf schönen Fußball und gute Leis-
tungen seiner Bundesliga-Kollegen
von heute.