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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 1 / 2 0 1 2
Porträt
Auch mit 85 – „Schule“mac
Gerhard Schulenburg war zwei Jahrzehnte lang einer der großen deutschen Schiedsrichter. Von 1953
„
Schule“ international ein in ganz Europa hoch angesehener Unparteiischer. Marco Haase überbrach
war begeistert von der humorvollen Art des gebürtigen Hamburgers.
K
ommt rein und herzlich willkom-
men. Wer möchte einen Kaffee?“
Gerhard Schulenburg sitzt gut
gelaunt im Wohnzimmer seiner
Wohnung im niedersächsischen
Laatzen und freut sich über den
Besuch. Auf dem Glastisch vor ihm
liegen zahllose Zeitungsberichte,
Fotos, ein WM-Ball und zwei FIFA-
Schiedsrichter-Trikots. Denn Ger-
hard Schulenburg ist nicht irgend-
wer: „Schule“, wie er in Schiedsrich-
ter-Kreisen nur kurz genannt wird,
war in den 50er-, 60er- und 70er-
Jahren einer der besten Unpartei-
ischen, die es in Deutschland gab.
Die DFB-Schiedsrichter-Zeitung hat
den langjährigen FIFA-Referee
besucht, der im Oktober seinen
85.
Geburtstag feierte.
Erst mal gibt’s den Kaffee. Nicht
irgendeinen: „Wollt Ihr Cappuccino?
Oder Latte Macchiato?“ Nicht nur
beim Kaffee ist Gerd Schulenburg
auf der Höhe der Zeit. Geistig topfit
verfolgt er Woche für Woche die
aktuellen Bundesliga- und Europa-
pokalspiele, freut sich an diesem
Sonnabend schon wieder auf die
Sportschau. Und der ehemalige lei-
tende Angestellte und Geschäfts-
führer einer Krankenkasse, der 14
Jahre lang auf der FIFA-Liste stand
und bei den renommiertesten euro-
päischen Klubs Spiele leitete, kann
sich noch an beinahe jeden Tag sei-
ner Schiedsrichter-Karriere erin-
nern, die 1949 im Nachkriegs-Ham-
burg beginnt.
Damals, im Jahr der Gründung der
beiden deutschen Staaten, will der
junge Gerd eigentlich nur Fußball
spielen. 23 Jahre alt ist er, als er in
Folge der schlechten Ernährungs-
lage in der Nachkriegszeit zum drit-
ten Mal an Gelbsucht erkrankt und
ihm die Ärzte nahelegen, auf das
Kicken zu verzichten. „Aber
Schiedsrichter durfte ich sein. Und
damals, nach dem Krieg, wurden
Schiedsrichter gesucht“, erinnert
sich Gerd Schulenburg heute, mehr
als 60 Jahre später.
Viele Fußballer kehrten aus dem
Zweiten Weltkrieg nicht zurück.
Schulenburg muss als junger Soldat
an die Front, hat Glück, er überlebt
und kommt nach Hause – in eine
Heimat voller Trümmer und Zerstö-
rung. Es herrscht allseits Mangel,
im „richtigen“ Leben und auch im
Sport. Für den jungen Mann aus
Hamburg, der später, Ende der
60
er-Jahre, aus beruflichen Grün-
den nach Hannover umzieht, ist es
eine goldrichtige Entscheidung,
Schiedsrichter zu werden: „Ich habe
es nie bereut“, sagt er heute.
Schnell werden die Fußball-Oberen
auf ihn aufmerksam: „Der Durch-
bruch gelang mir als Schiedsrichter
bei einem Freundschaftsspiel von
St. Pauli gegen den argentinischen
Club New Old Boys Rosario“, sagt
Gerd Schulenburg und zeigt auf ein
altes Foto: „Hier, es gibt von dem
Spiel sogar noch ein Foto – da hin-
ten, das bin ich.“
Schon Anfang 1953 pfeift er in der
Oberliga Nord, wo unter anderem
auch Uwe Seeler und Jupp Posipal
kicken. Sein Oberliga-Debüt gibt er
bei Hannover 96 gegen den VfB
Lübeck. Als die Bundesliga 1963
gegründet wird, ist Schulenburg
schon zehn Jahre als Schiedsrich-
ter in den höchsten deutschen
Spielklassen aktiv, fast schon ein
„
alter Hase“.
Schulenburg zeigt auf das FIFA-
Emblem auf dem Schiedsrichter-
Trikot und lacht: „Das durfte ich ab
1960
tragen. An das Jahr erinnere
Lachen mit Netzer und Overath: Die Frohnatur Gerhard Schulenburg macht den Spaß mit und
imitiert sich selbst ein bisschen – 40 Jahre danach.