26
S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 1 / 2 0 1 2
Analyse
11.
SPIELTAG
■
Hamburger SV – 1. FC Kaisers-
lautern
Wie schon im Fall Arnautovic
(
siehe 8. Spieltag) stellt sich auch
in diesem Spiel die Frage, was
manchen Profi mitunter zu völlig
verdrehten Aktionen veranlasst.
Der Hamburger Rajkovic agiert in
der 22. Minute im Mittelfeld nicht
ball-, sondern gegnerorientiert,
um es einmal so auszudrücken. Als
er den Ball kontrollieren will, spürt
er, dass er von schräg hinten ange-
griffen wird. Er nimmt den rechten
Arm hoch, stellt seinen Ellenbogen
aus und benutzt ihn so als zielge-
richtete „Abwehrwaffe“. Gegen-
spieler Tiffert hat keine Chance
auszuweichen und kracht mit sei-
nem Kopf gegen den Ellenbogen
(
Foto 9).
Er stürzt zu Boden und
blutet heftig an der linken Augen-
braue.
Schiedsrichter Markus Schmidt
stellt den Hamburger ohne zu
zögern und völlig zu Recht vom
Platz, denn die Attacke von Rajko-
vic ist zielgerichtet, gesundheits-
gefährdend und kann zu noch
schwereren Verletzungen führen,
als sie Tiffert hier erlitten hat. Es
gibt in einem solchen Fall nicht
den geringsten Anlass für den
Schiedsrichter, Milde walten zu las-
sen. Im Gegenteil, mit der konse-
quenten Ahndung solcher Bruta-
litäten macht er deutlich, dass er
die Spieler und den Fußball schüt-
zen will.
■
VfL Wolfsburg – Hertha BSC
Berlin
Und noch einmal eine Abseits-Situa-
tion: Immer wieder sieht man es,
dass sich Angreifer vor der Aus-
führung eines Freistoßes bewusst
ins Abseits stellen. Das ist schließ-
lich nicht verboten. Erst unmittel-
bar bevor der Ball gespielt wird,
rücken sie wieder ein. Sie irritieren
damit nicht nur ihre Gegenspieler,
auch für den Assistenten wird die
Aufgabe nicht leichter. Er muss
nicht nur darauf achten, ob
jemand ins Abseits läuft, sondern
auch noch, ob ein anderer Angrei-
fer rechtzeitig aus dem Abseits
„
verschwindet“.
Das schafft der Berliner Niemeyer
in diesem Fall nicht
(
Foto 10a),
aber
der aufmerksame Assistent Walter
Hofmann hat ihn auf seinem Radar.
Als Niemeyer sich aus seiner
Abseitsposition heraus zum Ball
bewegt und hochspringt
(
Foto 10b),
kommt völlig zu Recht die Fahne.
Ob er den Ball dann berührt oder
nicht, spielt keine Rolle, er greift
strafbar ins Spiel ein. Probleme
haben mit solchen Situationen
häufig viele Zuschauer (und auch
mancher Reporter), weil hier ein
Spieler eben nicht früh ins Abseits
gelaufen, sondern zu spät aus dem
Abseits herausgekommen ist.
12.
SPIELTAG
■
FC Augsburg – Bayern München
Zum Schluss noch eine Szene aus
der Abteilung „Erwarte jederzeit
das Unerwartete“. Es läuft die
letzte Minute der Nachspielzeit, die
Bayern führen in Augsburg 2:1.
Schiedsrichter Felix Zwayer will
gerade abpfeifen, als Timoscht-
schuk weit in der Augsburger Hälf-
te seinen Gegenspieler Baier mit
gestrecktem Bein und offener
Sohle attackiert. Er trifft den Augs-
burger, der den Ball gerade wegge-
schlagen hat, voll am Knöchel
(
Foto 11).
Der Schiedsrichter zögert keinen
Augenblick und greift in die Gesäß-
tasche. Dass es dann doch noch
einen Augenblick dauert, bis der
Bayern-Spieler „Rot“ sieht, liegt
daran, dass Felix Zwayer die Karte
nur schwer aus der Tasche ziehen
kann. Sie war wohl etwas „eingeros-
tet“, weil der Berliner Schiedsrich-
ter so selten einen Feldverweis
aussprechen muss (zwei in 32
Bundesliga-Spielen).
Und das ist ja auch eine schöne
Erkenntnis.
■
Ein angewinkelter Ellenbogen in dieser Höhe gefährdet ein-
deutig die Gesundheit des Gegenspielers.
Bei der Ausführung des Freistoßes ist Niemeyer noch im
Abseits …
…
und als er (weißer Kreis) dann zum Ball springt, hebt der
Assistent zu Recht die Fahne.
Gestrecktes Bein, offene Sohle: Timoschtschuk „verdient“
sich seine Rote Karte.
Foto 9
Foto 10a
Foto 10b
Foto 11