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ethnischen Zugehörigkeit, meist wenig gemeinsam haben.
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Sie bilden eine heterogene Einwohner-
schaft, die sich nach allgemeinen Werten und Orientierung, Qualifikation, Lebensstil usw. stark von-
einander unterscheidet. Die aufstiegs- und integrationswillige Migranten-Milieus stellen dabei die
große Mehrheit. Der Einfluss traditioneller Lebensweisen oder religiöser Vorschriften ist dagegen
relativ gering und beschränkt sich auf verschiedene Randgruppen.
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So lassen sich individuelle Integrationserfolge nicht am Wohnort ablesen, sondern sind im hohen Maße
von sozialen Faktoren wie Bildung, Einkommen und Beruf abhängig. Eine ethnische Mischung am
Wohnort allein bewirkt noch keine Integration. Räumliche Nähe bedeutet nicht automatisch soziale
Nähe. Dennoch zieht es wirtschaftlich und sozial erfolgreiche Menschen mit Migrationshintergrund in
heterogenere Viertel. Sogenannte „Migrantenviertel“ werden als wichtige erste Anlaufpunkte und
Durchgangsstationen auf dem Weg in die Aufnahmegesellschaft gesehen.
Mit kulturellen Erklärungen von Segregation sollte deshalb vorsichtig umgegangen werden. Für die
Wahl des Wohnortes spielen gerade auch ökonomische Gründe eine Rolle. Gefährlich wird
Segregation, wenn sie mit sozialer Exklusion einhergeht. Um diesem Ausschluss entgegenzuwirken
engagieren sich mittlerweile viele Initiativen und Vereine in benachteiligten Stadtvierteln, um die
Bewohner/innen über Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten zu informieren. Vielerorts
wurden Quartiersmanagements des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“ eingerichtet, um nach-
barschaftliche Projekte, Stadtteilkultur und Eigenverantwortung zu fördern.
Bedeutung für den Fußball:
Die Existenz von ethnischen Vereinen wird mitunter pauschalisierend als ein Anzeichen sozialer und
kultureller Segregation gewertet. Die meisten wurden als kombinierte Freizeit- und Heimatvereine von
„
Gastarbeitern“ aus der gleichen Herkunftsregion gegründet. Für sie, die häufig nach einiger Zeit
wieder in ihre Heimat zurückgingen oder dies beabsichtigten, boten diese Vereine die Möglichkeit sich
in ihrer neuen Umgebung leichter zurechtzufinden und soziale Kontakte zu knüpfen. Mittlerweile ste-
hen die meisten ethnischen Vereine Sportler/innen jeder Herkunft offen.
Vereine sind auf ihr lokales Umfeld angewiesen. Spieler/innen, Betreuer/innen und Sponsor/innen las-
sen sich aus dem direkten Umfeld gewinnen. Gleichzeitig können Vereine auch entscheidende Anstöße
für Veränderungen im Viertel geben. Sie bieten Treffpunkte für gemeinsame sportliche Erlebnisse und
für nachbarschaftlichen Austausch. Durch die Vernetzung mit Quartiersmanagements, Behörden,
Schulen, Kindertages- und Freizeitstätten können Vereine lokale Ressourcen nutzen und zur Ent-
wicklung ihres Umfelds beitragen.
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Vgl.: SINUS-Sociovision (Hrsg.) (2007): Die Milieus der Menschen mit
Migrationshintergrund in Deutschland“. Im Auftrag des Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend u.a. Wien.
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Ebd.
INTEGRATION A–Z
SEGREGATION
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Segregation
Definition:
Segregation ist ein Begriff der Soziologie, der einen Prozess der „Entmischung“, Polarisierung oder
sogar des Ausschlusses von sozialen Gruppen einer Gesellschaft bezeichnet. Von Segregation wird
beispielsweise in Verbindung mit Stadtvierteln und urbanen Milieus gesprochen, die von einer
bestimmten Bevölkerungsgruppe geprägt oder dominiert werden, wie zum Beispiel reiche Vororte,
Armen-, Künstler-, Migranten- und Studentenviertel oder Quartiere, in denen Familien bzw. alte
Menschen leben. Wohnstandard und Lebensqualität korrespondieren dabei in der Regel mit sozialem
Status. Soziale Ungleichheiten wie Einkommen, Bildung, Lebensstil, Alter oder ethnische Herkunft bil-
den sich durch räumliche Segregation ab.
„
Freiwillige“ Segregation, die Aufteilung einer Stadt in verschiedene Viertel, Lebenswelten und Milieus
ist in allen Metropolen der Welt anzutreffen. Die Verbundenheit mit Lebensstil, Herkunft oder Kultur
der Nachbarn ist mitentscheidend für die Wahl des Wohnortes. Auch Einwander/innen und ethnische
Gruppen bilden eigene Netzwerke, die sich als nützlich erweisen, um sich in einer neuen Umgebung zu
orientieren und soziale Kontakte aufzubauen. Berühmte Beispiele segregierter Einwandererviertel
sind Little Italy oder China Town in New York.
Segregation verläuft auch unfreiwillig. In diesen Fällen entscheiden beispielsweise die günstigen
Mietpreise, welche den Wohnort in einem sogenannten „sozialen Brennpunkt“ notwendig machen. Die
Stigmatisierung der Bewohner/innen aufgrund der „falschen“ Postleitzahl, z.B. bei der Jobsuche, ist
diskriminierend. Die negativen Effekte multiplizieren sich dadurch und verstärken die soziale
Ungleichheit.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Segregation wird überwiegend als Gefahr für die Integration von Migrant/innen betrachtet. Die
Vorstadtunruhen in Paris (in den sogenannten Banlieues) haben beispielhaft vorgeführt, wie sich
Wohnviertel ehemaliger Einwander/innen zu sozialen Notstandsgebieten entwickeln können.
Räumliche Abschottung, überforderte Schulen, Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und hohe
Arbeitslosigkeit stärken eine (selbst-)zerstörerische Dynamik. Das Bewusstsein der eigenen
Chancenlosigkeit fördert ein Selbstbehauptungsbedürfnis, das in Gewalt und Kriminalität münden
kann und eine Identifikation mit übergreifenden gesellschaftlichen Werten unmöglich macht bzw. sich
sogar gegen sie richtet. Soziale Kontakte zwischen Viertelbewohner/innen und dem „Rest“ der
Gesellschaft finden kaum statt, mit der Folge, dass Misstrauen und Fremdheit zwischen beiden
wachsen.
In Deutschland wurde Segregation unter dem Stichwort der „Parallelgesellschaften“ diskutiert.
Die schlechte Reputation von Stadtvierteln mit hohem Migrantenanteil verband sich mit der
Befürchtung, die Mehrzahl ihrer Bewohner/innen verharre in traditionellen Lebensweisen und sei
integrationsunwillig.
Eine Studie im Auftrag der Bundesregierung zu migrantischen Lebenswelten in Deutschland
hat gezeigt, dass die Bewohner/innen der sogenannten „Migrantenviertel“, abgesehen von ihrer