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RECHTSEXTREMISMUS
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Vereine und Fans gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, nutzen Rechtsextreme nunmehr ver-
steckte Codes, Symbole und Kleidungsmarken zur Identifizierung.
Rechtsextreme Einstellungen unter Zuschauer/innen, das zeigen Untersuchungen, lassen sich dabei
sowohl auf den Stehplätzen wie im Sitzplatzbereich finden.
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Dagegen haben sich offener Rassismus
und rechtsextreme Gewalt verlagert. Von den höheren Ligen mit ihren gut überwachten Stadien wei-
chen Rechtsextreme auf die unteren Klassen und auf die An- und Abfahrtwege aus. Der Sport rückt
dort in den Hintergrund, die Fußballspiele geben Rechtsextremen lediglich einen Anlass für Gewalt.
Viele Fan- und Ultragruppen distanzieren sich aktiv von Rassismus und rechter Gewalt und engagieren
sich für Toleranz. Gegen die Instrumentalisierungsversuche rechtsextremistischer Organisationen
sollten die Fans selbst mobil machen. So muss gerade jungen Fans, die sich im Stadion ausprobieren
wollen, eine attraktive Alternative geboten werden. Die sozialpädagogische Betreuung durch die
Fanprojekte hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Organisationen wie BAFF (Bündnis aktiver
Fußballfans) und FARE (Football against Racism in Europe) versuchen dieses Engagement überregio-
nal zu vernetzen.
Von rechtsextremistischen Vereinnahmungen fühlen sich insbesondere die kleinen Vereine überfor-
dert. Sie sind zudem stärker als die Clubs der höheren Ligen auf die finanzielle Unterstützung der Fans
angewiesen. Der Ausschluss größerer Fangruppierungen stellt manche Vereine vor große Probleme.
Auch die lokalen Ordnungsdienste werden zum Teil durch Rechtsextreme unterwandert.
Rechtsextremismus bedeutet eine große Herausforderung für alle Verantwortlichen in Vereinen,
Fanclubs und Ordnungsdiensten. Durch eine eindeutige Hausordnung mit klaren Verhaltens- und
Antidiskriminierungsregeln, sorgfältige Kontrollen durch das Personal sowie durch Strafen kann viel
erreicht werden. Aber Präventionsarbeit fängt nicht erst am Stadiontor an, sondern sie fordert auch
ein politisches Bekenntnis von Vereinen und Verbänden.
Studien haben belegt, dass Vereine, die sich aktiv und präventiv gegen Rechts positionieren, kaum
Probleme mit rechtsextremistischen Fans und Spieler/innen haben.
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Vereine, die jedoch passiv blei-
ben oder auf die Trennung von Sport und Politik pochen, entfalten dagegen schnell eine Sogwirkung.
Doch Rechtsextremismus betrifft nicht nur die Zuschauer/innen. In manchen Vereinen, gerade in länd-
lichen Gebieten, ist eine schleichende Infiltration durch Sportler/innen, Sponsor/innen und andere
Unterstützer/innen zu beobachten. So versuchen Rechtsextremist/innen aus der Deckung ehrenamt-
licher Tätigkeiten in bestehenden Vereinen heraus, als Trainer/innen, Betreuer/innen oder
Funktionär/innen, die Vereinsarbeit zu vereinnahmen und Jugendliche zu beeinflussen. Wo dies nicht
möglich ist, gründen sie auch eigene Vereine und versuchen durch soziales Engagement oder die
Organisation von Turnieren und Festen über die Szene hinaus Einfluss und Akzeptanz zu gewinnen.
Solche schleichenden Prozesse sind weniger auffällig als spektakuläre Fankrawalle, aber mindestens
genauso gefährlich.
Weitere Beratungs-, Informations- und Aufklärungskampagnen sowie Fortbildungen für Vereinsmitar-
beiter/innen sind deshalb genauso notwendig, wie eine deutliche Positionierung der Vereine und
Verbände. Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Rechtsextremismus sollten als Teil der Qualifizierung
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Pilz, Gunter A; Behn, Sabine; Klose, Andreas; Schwenzer, Victoria; Steffan,
Werner; Wölki, Franciska (2006): Wandlungen des Zuschauerverhaltens
im Profifußball. Schorndorf, Pilz, Gunter A.(2009): Rechtsextremismus
im Sport in Deutschland und im internationalen Vergleich. Köln.
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Vgl.: Glaser, Michaela; Elverich, Gabi (Hrsg.)(2008): Rechtsextremismus,
Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Fußball. Erfahrungen und
Perspektiven der Prävention. Halle.
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gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung nicht mithalten. Die Auflösung traditioneller
Beziehungen, (drohende) Arbeitslosigkeit, soziale Unsicherheit und höhere Eigenverantwortung
würden diese Gruppe zu „Modernisierungsverlierern“ machen – so eine These.
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Auf der Suche nach den Verantwortlichen bieten Rechtsextreme scheinbar einfache Antworten an. Sie
bestehen auf Vorrechten für Etablierte („Arbeit nur für Deutsche.“) und machen äußere Einflüsse für
die Veränderungen verantwortlich. Als Ausweg versprechen sie die Rückkehr zu alten Werten,
Zugehörigkeit und Anerkennung in der Gruppe. Gewaltbereitschaft wird als Ausdruck von Stärke und
Entschlossenheit gewertet.
Andere Erklärungsmodelle verorten die Ursachen von Rechtsextremismus in der Erziehung,
Bildungsdefiziten, Sozialisation und persönlichen Erfahrungen. In den meisten Fällen werden
Extremismus und Gewalt als Kompensationsmechanismen und eine Art Sprache derjenigen, die sich
nicht auf andere Weise artikulieren können oder wollen, gedeutet. Fest steht aber auch, dass rechte
Jugendkultur mancherorts bereits fest verankert ist. Kinder und Jugendliche können aus einem
Mangel an Alternativen schon früh in ein rechtes Umfeld geraten.
Bedeutung für den Fußball:
Rechtsextremismus unter Fußballfans ist seit mehr als 30 Jahren bekannt. Lange Zeit boten die
Stadien einen scheinbar sicheren Entfaltungsraum für rechtsextremistische Agitation und Aggression.
Rechtsextremist/innen suchten unter Fußballfans nach Gleichgesinnten. Parteien und Kamerad-
schaften rekrutierten hier ihren Nachwuchs. Mit Vorurteilen und Feindbildern wurde Stimmung
gemacht, Beleidigungen richteten sich gegen ausländische Spieler, gegen dunkelhäutige Menschen
oder Juden. Rechte Parolen, Symbole und Fanartikel dienten zur Selbstinszenierung der rechten
Fangruppen. Die Anonymität des Fanblocks bot den Eskalationsrahmen für rechtsextreme Gewalt.
Ein prominentes Beispiel ist die „Borussenfront“, die in den 1980er Jahren erst durch gemeinsame
Anstrengungen des Dortmunder Fanprojektes und der antirassistischen Fanszene aus dem
Stadion gedrängt werden konnte. Doch Rechtsextremismus ist im deutschen Fußball noch immer ein
Thema.
Zwischen Rechtsextremist/innen und gewaltbereiten Hooligans bestehen nach wie vor
Schnittmengen. Auch unter den Fanclubs und Ultragruppierungen finden sich Gruppen, die mit
Rechtsextremismus sympathisieren. Fußballspiele werden als Plattform für die Eskalation und öffent-
lichkeitswirksame Inszenierung von Gewalt genutzt, bei der die Polizei immer öfter zum direkten
Gegner wird. Die Entwicklung des Rechtsextremismus im Zuschauerverhalten zeigt in zwei
Richtungen: subtilere Formen und neue Schauplätze sowie die gleichzeitige Radikalisierung der
Gewalt. Letzteres vor allem in Richtung zunehmender gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen
linken und rechten Fangruppen.
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Zwar ist offen rechtsextremistisches Verhalten in den oberen Ligen
in den letzten Jahren spürbar zurückgegangen, auf einen Rückgang rechtsextremer Einstellungen
kann daraus jedoch nicht automatisch geschlossen werden. Angesichts strikterer Vorschriften, polizei-
licher Überwachung und drohenden Stadionverboten, aber auch der eindeutigen Positionierung der
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Exemplarisch die Studien Wilhelm Heitmeyers: Heitmeyer, Wilhelm (1988): Rechtsextremistische
Orientierungen bei Jugendlichen. Empirische Ergebnisse und Erklärungsmuster einer
Untersuchung zur politischen Sozialisation. Weinheim; Ders. (1992): Die Bielefelder
Rechtsextremismus-Studie. Erste Langzeituntersuchung zur politischen Sozialisation männli-
cher Jugendlicher. Weinheim; Ders. (Hrsg.): Deutsche Zustände, Band. 1. Frankfurt am Main.
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Pilz, Gunter A; Behn, Sabine; Klose, Andreas; Schwenzer, Victoria; Steffan, Werner; Wölki,
Franciska (2006): Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball. Schorndorf.