INTEGRATION A–Z
RASSISMUS
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Die Nationalsozialisten machten schließlich Rassismus und Antisemitismus zu ihrer Ideologie und
Staatsdoktrin. Sie verknüpften „Nation“ und „Volk“ mit der Rassentheorie. „Zum Schutze des deut-
schen Blutes“ mussten alle Einwohner/innen des Reiches durch quasi-wissenschaftliche Methoden
ihre „arische“ Abstammung nachweisen. Nach den Nürnberger Rassegesetzen wurden Juden und
andere, die nicht der „deutschen Rasse“ angehörten, schrittweise entrechtet, später deportiert und
schließlich systematisch ermordet. Als direkte Reaktion auf den Holocaust wurde unter anderem
durch die Vereinten Nationen beschlossen, rassistische Verfolgung und Diskriminierung als Unrecht
einzustufen. Rassismus widerspricht der Gleichheit der Menschen, die in der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte von 1948 garantiert wird.
Dennoch existiert Rassismus weiterhin, teilweise in offener Art und Weise. Aufgrund der historischen
Verbindungen zur NS-Ideologie, wird in Deutschland seltener von „Rassismus“ gesprochen.
Stattdessen ist eher von Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit oder Rechtsextremismus die Rede. Dies
verdeckt jedoch, dass vor allem diejenigen Opfer von Diskriminierung und rassistischen Übergriffen
werden, die sich äußerlich unterscheiden. Ein hellhäutiger US-Amerikaner hat daher weniger zu
befürchten, als eine dunkelhäutige Deutsche. Betroffen sind Flüchtlinge und Asylbewerber/innen, aber
auch Menschen, die schon ihr ganzes Leben oder eine sehr lange Zeit in Deutschland leben. In den
Veröffentlichungen der ECRI, der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, werden
konkrete Beispiele zusammengetragen. Diese unabhängige Kommission wacht über die Wahrung der
Menschenrechte hinsichtlich Rassismus und/oder Intoleranz. Der ECRI-Bericht über Deutschland
benennt zahlreiche Fallbeispiele für Diskriminierung in Deutschland und gibt ca. 160 Handlungs-
empfehlungen zur Verbesserung dieser Situation. Der Bericht macht deutlich, dass in Deutschland
institutionelle Verbesserungspotenziale, beispielsweise im Bildungswesen, existieren, um Diskriminie-
rung und Rassismus zu vermeiden.
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Auch die Zahl der rechtsextrem motivierten Straftaten ist in den
letzten Jahren weiter gestiegen und befand sich 2008 auf einem Rekordniveau.
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Diskriminierung und
Rassismus schüren ein Klima der Angst, das Segregation und Ausgrenzung fördert und Integration
und Teilhabe verhindert.
Dabei wird Rassismus von einer breiten Mehrheit in Deutschland abgelehnt. Gegen Rassismus vor-
zugehen, ist jedoch nicht allein Sache des Gesetzes, sondern auch des zivilgesellschaftlichen
Engagements. Rassismus kann mit Entschlossenheit und breiter Unterstützung erfolgreich bekämpft
werden. Auch gibt es Einrichtungen, die Betroffenen professionelle Unterstützung und Beratung
bieten. Viele Städte, Wohlfahrtsverbände und private Initiativen unterhalten Hotlines oder
Antidiskriminierungsbüros, um Opfer rassistischer Diskriminierung und Gewalt zu unterstützen. Die
Integrationsbeauftragten sind ebenfalls geeignete Ansprechpartner.
Bedeutung für den Fußball:
Rassistische Vorfälle im nationalen und internationalen Fußball, im Profi- wie im Amateurbereich, sind
leider keine Seltenheit. Immer wieder berichten Spieler/innen und Fans von Beleidigungen und Gewalt
im Rahmen von Fußballspielen. Auch in Deutschland sind manchmal rassistische Fangesänge zu hören,
werden Spieler/innen rassistisch beleidigt oder finden sich Banner und Symbole rechtsextremistischer
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Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (2009):
Bericht über Deutschland“, Strasbourg.
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Vgl.: Laufende Statistik des Bundesministerium des Innern:
politisch_motivierte_kriminalitaet.html
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RASSISMUS
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Rassismus
Definition:
Über eine exakte Definition von Rassismus wird in der Wissenschaft gestritten, dennoch gibt es einige
Grundeigenschaften: (1) Durch Rassismus wird eine Differenz hergestellt, die sich auf tatsächliche oder
angedichtete, zumeist äußerliche Merkmale oder kulturelle Eigenschaften bezieht, zum Beispiel die
Unterscheidung zwischen „schwarzer“ und „weißer“ Hautfarbe. (2) Die Differenz ist der Anlass auf
eine Ungleichwertigkeit zu schließen. Rassismus bedeutet eine Abwertung und Stigmatisierung des
Anderen und die Überhöhung des Eigenen. (3) Die Ungleichwertigkeit wird verabsolutiert und verall-
gemeinert. Das bedeutet, dass die Differenz zu einer Art Naturgesetz wird, das sich auf alle Menschen,
die ähnliche Merkmale aufweisen, bezieht. Rassismus unterstellt eine allgemeine biologische, soziale
und kulturelle Minderwertigkeit. (4) Die verallgemeinerte Differenz ist der Grundstein für eine soziale
Hierarchisierung. Rassisten sehen in der Diskriminierung, Unterdrückung oder sogar Vernichtung
anderer Menschen aufgrund ihrer Rasse ein „natürliches“ Machtverhältnis.
Die Wissenschaft kennt „enge“ und „weite“ Rassismusdefinitionen. Enge Definitionen sehen
Rassismus nur dort, wo ein Mensch explizit auf äußere „biologische“ Merkmale reduziert und diskri-
miniert wird. Andere halten auch die Abwertung eines Menschen aufgrund kultureller Eigenschaften,
zum Beispiel wegen seines Glaubens, für eine Form des Rassismus. In jedem Fall ist Rassismus eng ver-
zahnt mit anderen Formen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ (vgl. Wilhelm Heitmeyer), wie
Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamophobie, Sexismus oder Homophobie.
Rassismus entbehrt jeglicher rationalen Grundlage. Im Gegensatz zu den haltlosen Annahmen der
Rassentheorie sind ethnische Gruppengrenzen durchlässig und gehen nicht auf biologisch begründete
Ungleichheiten zurück.
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Er ist vielmehr ein soziales Phänomen, das sich insbesondere in
Gesellschaften findet, die durch Intoleranz und die Dominanz einer Gruppe geprägt sind. Rassistische
Denkmuster sind teilweise tief in der Gesellschaft verankert und unterliegen spezifischen geschichtli-
chen und kulturellen Bedingungen. In der Wissenschaft wird deshalb auch von Rassismen gesprochen.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Ausgrenzung und Unterdrückung bestimmter Bevölkerungsgruppen haben in der Geschichte der
Menschheit eine lange Tradition. Auch die erste Demokratie der Welt in der griechischen Antike war
keine Ausnahme. Allerdings ist die Idee, die Menschheit ähnlich wie das Tierreich in verschiedene
Rassen aufzuteilen, jüngeren Datums. Sie entwickelte sich parallel zur Entdeckung, Erforschung und
Beherrschung der Welt durch die Europäer ab dem 15. Jahrhundert. Die Rassentheorie war Ausdruck
und Mittel des Versuchs, die menschliche Vielfalt der Welt zu ordnen und zu beherrschen.
Die einflussreiche Rassentheorie biologisierte die Geisteswissenschaften, wie Philosophie,
Völkerkunde oder politische Theorie. Selbst unter einflussreichen Aufklärern wie Immanuel Kant wur-
den immer wieder „Rassenunterschiede“ diskutiert. Im Anschluss an Charles Darwin wurde die
Rassenfrage“ am Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend sozialdarwinistisch als „Rassenkampf“ inter-
pretiert. Auch wurde verstärkt nach genetischen Unterschieden als Maßstab für die Unterscheidung
von Rassen gesucht. Wissenschaftliche und politische Interessen gingen hier teilweise Hand in Hand.
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Vgl.: Memmi, Albert (1984): Rassismus. Frankfurt am Main.