INTEGRATION A–Z
OFFENHEIT
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Bedeutung für den Fußball:
Der Fußball gehört in Deutschland und weltweit zu den populärsten Sportarten. Doch die integrative
Kraft des Fußballs entfaltet sich nicht automatisch. Sie erfordert Offenheit und Toleranz. Die
Prognosen zur demographischen Entwicklung in Deutschland sagen einen wachsenden Anteil von
Spieler/innen mit Migrationshintergrund in den deutschen Vereinen voraus. Schon jetzt fühlen sich
viele der ca. 90.000 im DOSB organisierten Vereine, davon gehören rund 26.000 Vereine dem DFB an,
stark vom demographischen Wandel betroffen.
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Ihre Zukunftsfähigkeit wird deshalb zu einem großen
Teil davon abhängen, wie sie sich auf diese Entwicklung einstellen. Besondere Herausforderungen sind
dabei die stärkere Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in das Ehrenamt sowie
in Schlüsselrollen der Vereine und Verbände. Gleichermaßen gehört dazu, die derzeitige
Unterrepräsentiertheit der Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund im Fußball zu reduzieren.
Zentrale Ansatzpunkte hierfür sind die interkulturelle Sensibilisierung der derzeitigen
Schlüsselrollenträger/innen im Fußball sowie die Schaffung von Strukturen und die Benennung von
Verantwortlichen (Integrationsbeauftragten), welche die Maßnahmen zur Integrationsförderung in
den Vereinen und Verbänden begleiten und weiterentwickeln. Die dem Fußball in seiner Geschichte
stets innewohnende Offenheit für neue Entwicklungen wird auch diesen nächsten Fortschritt ermög-
lichen.
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Deutscher Olympischer Sportbund / Bundesinstitut für Sportwissen-
schaft (2006): Sportvereine und demografischer Wandel. Köln.
INTEGRATION A–Z
OFFENHEIT
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Offenheit
Definition:
Offenheit kennzeichnet menschliche Einstellungen und Verhaltensweisen. Offene Menschen gelten als
tolerant, liberal, einfallsreich, neugierig und empathisch. Sie haben mutmaßlich eine Vorliebe für
Abwechslung und sind Fremden gegenüber aufgeschlossen. Verschlossene Menschen gelten dagegen
als konventionell, routiniert, wenig interessiert, konservativ, traditionsbewusst, verschlossen, skep-
tisch oder sogar ablehnend gegenüber Fremden. Der Grad der Offenheit einer Person bestimmt ihre
Wahrnehmung durch andere und ihre Kommunikationsmöglichkeiten.
Offenheit ist jedoch nicht nur eine Frage des Charakters, sondern stark von sozialen, kulturellen und
gesellschaftlichen Konventionen geprägt. Daher stellt Offenheit keine absolute Norm oder gar einen
Wert an sich dar, denn inwieweit sie als angemessen oder unangemessen empfunden wird, ist nicht
zuletzt von konkreten Umständen abhängig.
Auch gesellschaftliche Strukturen zum Beispiel in politischen Institutionen oder Verbänden
können offen bzw. verschlossen sein. In einigen Fällen können daraus Benachteiligungen oder
Diskriminierungen von Individuen und Gruppen entstehen.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Der Philosoph Karl Popper entwarf nach dem Ende des Nationalsozialismus in Deutschland das
Leitbild einer „offenen Gesellschaft“, deren demokratische Prinzipien sich vom Zwang totalitärer
Staatsformen, wie des Faschismus oder Kommunismus, deutlich unterscheiden.
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Als wesentliches
Merkmal der offenen Gesellschaft und ihrer Institutionen, bezeichnete er ihre Fähigkeit, sich stetig
verändern und neu erfinden zu können. Eine demokratische Gesellschaft sollte dabei nicht in erster
Linie der Durchsetzung von Mehrheitsinteressen dienen, sondern größtmögliche individuelle
Freiheiten und Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Jeder sollte in der offenen Gesellschaft eine Heimat
finden können.
Entscheidend für den Erfolg der offenen Gesellschaft war damals wie heute ein gemeinsamer Dialog
über ihre Gestaltung. Daher sind individuelle Offenheit und Teilhabe sowie eine offene Gesellschaft,
die allen eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht, bloß zwei Seiten derselben Medaille. Persönliche
Offenheit schafft Vertrauen und Möglichkeiten für gesellschaftliche Interaktion. Offene Strukturen
ermutigen zur Teilhabe. Ihr Gegenteil sind Diskriminierung und ein Klima des Misstrauens.
Allerdings folgen Menschen auch ihren individuellen Vorlieben, sind kulturell unterschiedlich geprägt
und bekennen sich zu vielfältigen Identitäten und Traditionen. Die demographische Entwicklung,
beeinflusst durch Zuwanderung und Integration, fordert neue Offenheit gegenüber vermeintlich frem-
den Lebensweisen, Kulturen oder Religionen. Gesellschaftliche Integration ist daher kein einseitiger
Zwang zur Assimilation, sondern ein wechselseitiger Prozess der Annäherung. Soziale Integration und
die Schaffung einer offenen Gesellschaft, in der jeder Anerkennung erfahren kann, ist die große gesell-
schaftliche und politische Herausforderung.
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Popper, Karl (1945): Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Tübingen.