INTEGRATION A–Z
NATION
103
Nation
Definition:
Der Begriff der Nation ist vieldeutig und wissenschaftlich wie politisch umstritten. Eine eher konser-
vative Interpretation versteht Nationen als relativ statische und geschlossene Gruppen von Menschen
(
Völker), die sich durch gemeinsame Merkmale wie ethnische Herkunft, Sprache, Religion und
Traditionen von anderen Nationen unterscheiden. Nationale Identität scheint demnach angeboren.
Das Volk lebt zumeist in einem bestimmten Territorium, aber nicht zwangsläufig in einem Staat
zusammen (zum Beispiel die Kurden in der Türkei, Irak und Iran). Dementsprechend bezeichnet
Nationalität die Zugehörigkeit zu einer bestimmten nationalen Volksgruppe, obwohl es auch synonym
zu Staatsbürgerschaft verwendet wird.
Offenere Definitionen verstehen Nationen als vorgestellte Gemeinschaften.
65
Wichtiger als gemeinsa-
me Abstammung sind demnach ein nationales Zusammengehörigkeitsgefühl und die Identifikation der
Mitglieder mit ihrer Nation, ihrer Kultur und Geschichte. Um die „Vorstellung“ der Nation zu wecken,
ist ein hohes Maß gesellschaftlicher Interaktion und Vermittlung, zum Beispiel durch die Medien not-
wendig. Die Zugehörigkeit zur Nation wird als politisches Bekenntnis verstanden. Nationale Identität
ist demnach relativ frei gewählt. Diese Definition entspricht am ehesten dem nationalen Verständnis
demokratischer Gesellschaften, da sie kulturelle Vielfalt zulässt. Zudem stimmen die Grenzen der
Nation zumeist mit Staatsgrenzen überein.
Kritische Definitionen verstehen dagegen Nationen als politische Erfindungen. Durch vermeintliche
Traditionen und Mythen, nationale Symbole, wie Flaggen und Hymnen und eine einseitig gefärbte
Geschichtsschreibung wird die Nation zum Bezugspunkt einer kollektiven nationalen Identität und
legitimiert die Vorherrschaft einer politischen Elite. Die Nation rechtfertigt einen politischen
Nationalismus, der nach Außen auf die (auch gewaltsame) Durchsetzung vermeintlich nationaler
Interessen (zum Beispiel Gebietsfragen) drängt und nach Innen einen ethnischen und kulturellen
Assimilationsdruck auf die Bevölkerung ausübt.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Die Geschichte der Nation ist ambivalent. Der Nationalstaat hat sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts
zum bestimmenden politischen Ordnungsmodell in Europa entwickelt und später über die ganze Welt
ausgebreitet. Nach dem Ende des Absolutismus entwickelte die Idee der Nation mit ihren Gleichheits-
und Partizipationsversprechen eine enorme Integrationskraft und hat zur Entwicklung und Stabilität
der modernen Staaten und ihrer Gesellschaften beigetragen. Nationale Identitäten wurden für das
Handeln und Denken vieler Menschen bestimmend.
Die Kehrseite der Medaille sind vor allem die Kriege des 19. und 20. Jahrhundert zwischen den euro-
päischen Nationen und ihre Millionen Opfer, die für die dunkle Seite des Nationalismus stehen. Denn
nationale Integration und Überlegenheitsgefühl waren regelmäßig mit aggressiver Abgrenzung nach
Innen und Außen verbunden. Nationalistische Ideologien und politische Bewegungen drängten auf
die politische und kulturelle Einheit der Nation und förderten klare Feindbilder. Die Folge waren
Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung von kulturellen, ethnischen oder religiösen
65
Anderson, Benedict (1996): Imagined Communities. Die Erfindung der
Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Frankfurt am Main.
Bedeutung für den Fußball:
Zum DFB-Bundestag 2010 hat der DFB in Paragraph vier seiner Satzung das Ziel verankert, den
Fußballsport nachhaltig zu gestalten. Anhand der vier Verantwortungsdimensionen Spielbetrieb,
Werteorientierung, Gesellschaftspolitik und Wohltätigkeit wurden die Beiträge des Fußballs zu einer
nachhaltigen Gesellschaftsentwicklung dargestellt und zukünftige Möglichkeiten geprüft.
Grundsätzlich wirkt der Fußball vor allem im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit. Während die
Fußballverbände neben eigenen Aktivitäten (und der ihrer Stiftungen) vor allem die
Rahmenbedingungen setzen, findet die Umsetzung in erster Linie in den Vereinen und ihren
Mannschaften statt. Angesichts der demographischen Entwicklung hängt die Zukunftsfähigkeit vieler
Vereine davon ab, wie es gelingt, eine nachhaltige, vor allem integrative Vereinskultur zu gestalten.
Dabei geht es nicht nur um die Anerkennung kultureller Vielfalt und die Sensibilisierung dafür, sondern
um die Nutzung aller vorhandenen Potenziale für den Verein - zum Beispiel unter den Mädchen und
Frauen mit Migrationshintergrund als Spielerinnen und Ehrenamtliche, aber auch der längeren aktiven
Bindung älterer Fußballspieler/innen.
INTEGRATION A–Z
NACHHALTIGKEIT
102