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prognostizieren, darstellen. Um langfristig gesellschaftlichen Wohlstand, wirtschaftliches Wachstum
und die sozialen Sicherungssysteme zu garantieren, sind Deutschland und Europa daher auf eine
Förderung und nachhaltige Integration von Migrant/innen angewiesen. Trotzdem ist die Zahl der
Zuwanderer nach Deutschland in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen und hat sich bei
ca. einer halben Million Menschen pro Jahr eingependelt. Die deutsche Migrationsbilanz ist sogar
negativ, da im gleichen Zeitraum mehr Menschen das Land verließen, als zuwanderten.
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Das Aus- und Einwandern einzelner Gruppen, aber auch die Wanderungen ganzer Völker prägen die
Geschichte der Menschheit. Die kulturelle Vielfalt der Welt wäre ohne migrationsbedingten Austausch
undenkbar. Einige Staaten, allen voran die USA, sind sogar mehrheitlich Einwanderergesellschaften
und begreifen sich selbst als Schmelztiegel der Kulturen.
Dennoch bleibt Migrationspolitik ein heikles Thema, nicht zuletzt gehen rechtsextreme Parteien
immer wieder mit populistischen Parolen gegen Migrant/innen auf Stimmenfang. Denn trotz ihrer
geschichtlichen und gesellschaftlichen Normalität, gab Migration bisweilen immer Anlass für Konflikte.
Einheimische sehen in den Neuankömmlingen Konkurrenz um Ressourcen, Rechte oder Kultur.
Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung oder Rassismus können Abwehrreaktionen auf reale oder
befürchtete Konflikte um gesellschaftliche Vormachtsstellungen sein. Eine Reaktion ist der Rückzug
der Migrant/innen in eigene, teils isolierte, Netzwerke und Communities. Diese kleinen
Gemeinschaften bieten ein scheinbar sicheres Umfeld und die Möglichkeit eigene Traditionen,
Sprachen und kulturelle Identitäten zu bewahren. Allerdings können sie sich für die strukturelle gesell-
schaftliche Integration als kontraproduktiv erweisen, wenn sie Segregation fördern.
Migration und Integration sind große Herausforderungen für die Aufnahmegesellschaften und verän-
dern das Gesicht der Gesellschaft nachhaltig. Heute haben bereits ein Fünftel aller Menschen in
Deutschland einen Migrationshintergrund. In jüngeren Jahrgängen haben sogar fast ein Drittel der
Menschen einen Migrationshintergrund.
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Migrant/innen sind jedoch keine homogene Gruppe. Ob
Frauen oder Männer, arm oder reich, Christen, Muslime oder anderer Religion, konservativ oder liberal,
Arbeiter/innen oder Akademiker/innen – unter den Migrant/innen finden sich Menschen mit ganz
unterschiedlicher Herkunft, Kultur, sozialem Status oder Glauben. Einige Migrant/innen bleiben nur
kurze Zeit, andere ihr ganzes Leben. Der Vielfalt der Migrant/innen muss daher mit ebenso vielfältigen
Integrationsstrategien begegnet werden. Ziel sollte die Anerkennung von Unterschieden sowie die
gemeinsame Gestaltung der Gesellschaft sein.
Bedeutung für den Fußball:
Fußball fördert Migration. Dies gilt für die Elite der Profifußballer/innen, die als Arbeitsmigrant/innen
zwischen den Vereinen der internationalen Ligen wechseln, aber auch für die jungen Talente, die in
der Hoffnung auf eine Karriere als Fußballer in die Ferne ziehen. Zwar geht die Professionalisierung
des Sports mitunter auch mit Identifikationsproblemen von Spieler/innen und Fans einher,
andererseits sind es auch die ausländischen Stars, die Zuschauer/innen vermehrt in die Stadien
locken.
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Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2008): Migrationsbericht
2008.
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Statistisches Ämter des Bundes und der Länder (2007): Demografischer
Wandel in Deutschland. Wiesbaden.
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Migration
Definition:
Ursprünglich beschreibt der lateinische Begriff migratio eine Wanderung. Wenn heute von Migration
die Rede ist, dann ist jedoch kein Ausflug, sondern die Übersiedlung in ein anderes Land gemeint.
Migration ist auch der Oberbegriff für die verwandten Begriffe Emigration (Auswanderung) und
Immigration (Einwanderung). Unter Binnenmigration versteht man dagegen den Wohnortwechsel
innerhalb eines Landes sowie innerhalb der Europäischen Union.
Migration bedeutet Bewegung. In der Wissenschaft wird von horizontaler Mobilität gesprochen, die
eine Veränderung des räumlichen, sozialen und kulturellen Lebensumfeldes zur Folge hat. Ein häufiger
Beweggrund für Migration ist die vertikale Mobilität, also eine Chance des sozialen Aufstiegs oder
Verbesserung der Lebensumstände. Migration wird durch verschiedene Motive angetrieben, die in der
Wissenschaft Push- und Pull-Faktoren genannt werden. So betrieb die Bundesrepublik bis in die 1970er
Jahre eine gezielte Anwerbungspolitik von Gastarbeitern, um ihren zusätzlichen Bedarf an
Arbeitskräften zu decken. Durch Familiennachzug vervielfachte sich die Zahl der Migrant/innen. Heute
zählen zu den Arbeitsmigrant/innen jedoch nicht nur niedrig Qualifizierte, sondern auch Fachkräfte
global agierender Unternehmen.
Oft genug gibt es jedoch unfreiwillige Motive für Migration. Wirtschaftliche Notlagen, humanitäre
Missstände bedingt durch Naturkatastrophen, Hungersnöte, politische Konflikte oder die Verfolgung
ethnischer Minderheiten zwingen Menschen überall auf der Welt dazu, ihre Heimat zu verlassen. Diese
Migrant/innen kommen als Flüchtlinge in ein Land oder beantragen politisches Asyl.
Soziale Notlagen in der Heimat lassen eine Zukunft in der Ferne oft als bessere – manchmal auch als
einzige – Alternative erscheinen. Doch Migration birgt viele Risiken. Migrant/innen sich auf einen
ungewissen Neubeginn einzulassen, der von rechtlichen und sozialen Unsicherheiten und kulturellen
Fremdheitserfahrungen geprägt sein kann. Teilweise nehmen Menschen das Wagnis auf sich, auch
wenn sich kein legaler Weg zur Migration eröffnet. Sie schmuggeln sich abseits der regulären Grenzen
ins Land und leben dort oft jahrelang versteckt und ohne Papiere. Diese sogenannten illegalen
Immigrant/innen haben auch später nur geringe Chance auf einen rechtlichen Aufenthaltstitel. Das
Problem der versteckten Migration in die reichen Regionen der Erde hat sich in den letzten Jahren ver-
schärft. Zu diesem Umstand haben sowohl das wachsende Wohlstandsgefälle zwischen „erster“ und
„
dritter“ Welt, als auch die staatlichen Beschränkungen legaler Migration beigetragen.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Heute legt die Migrationspolitik fest, wer rechtmäßig in ein Land einwandern darf, wer als Flüchtling
oder Asylsuchende/r anerkannt wird und welche Bedingungen für eine Einbürgerung erfüllt werden
müssen. Seit dem Verschwinden innereuropäischer Grenzkontrollen hat die Steuerung von Migration
eine europäische Dimension bekommen. In Deutschland wurde 2005 im Zuwanderungsgesetz die
Einwanderung und Integration von Bürger/innen der Europäischen Union und Menschen anderer
Nationalitäten neu geregelt. Das Gesetz sollte eine Antwort auf die schlechten demographischen
Prognosen, die den Ländern Europas eine schrumpfende und zunehmend alternde Bevölkerung