INTEGRATION A–Z
GEWALTPRÄVENTION
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Andererseits setzt Gewaltprävention selbst bestimmte Normen – einen Regelkonsens – für Gewalt
voraus. Jede Gesellschaft verfügt über legitimierte, tolerierte und verbotene Formen der Gewalt.
Demokratische Gesellschaften zeichnen sich durch die Differenzierung, Verrechtlichung und
Monopolisierung der Gewaltanwendung durch den Staat aus (zum Beispiel verbietet er Selbstjustiz,
erlaubt aber Notwehr). Gewaltprävention bedeutet also nicht die Ablehnung jeglicher Gewalt, sondern
orientiert sich an dieser gesellschaftlichen „Normalität“.
Diese Schwierigkeit in der Gewaltprävention zeigt sich umso mehr unter den Bedingungen einer
zunehmend kulturell und sozial vielfältigen und pluralistischen Gesellschaft, in der Menschen mit
unterschiedlichen Identitäten, Traditionen und Lebensentwürfen miteinander leben. Die existierenden
Unterschiede lassen verallgemeinerte Normalitätsvorstellungen nicht mehr zwangsläufig zu. Zwar gel-
ten für alle die gleichen Gesetze, doch existieren große Unterschiede in der Gestaltung zwischen-
menschlicher Beziehungen. Zudem können Fremdheitsgefühle und verwehrte soziale Anerkennung
bei der Entwicklung gewalttätiger Durchsetzungsstrategien eine entscheidende Rolle spielen.
Gewaltpräventive Projekte müssen dementsprechend ihre Präventions- und Interventionsstrategien
ebenfalls pluralisieren.
Die Ausbildung interkultureller Kompetenzen und die Verwirklichung von sozialer Integration werden
deshalb immer wichtiger, um Konflikten und Gewalt vorzubeugen. Integration bedeutet Bereitschaft
zur Interaktion und die Gestaltung eines positiven Miteinanders. Vorrausetzung ist die Anerkennung
sozialer und kultureller Unterschiede und der Abbau von Vorurteilen und Diskriminierungen.
Das gemeinsame Ziel sollte sein, soziale Desintegration zu vermeiden und allen Bürger/innen
gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabechancen zu ermöglichen. Insbesondere Kindern und
Jugendlichen müssen befriedigende Lebensperspektiven geboten werden, die auf gewaltfreiem Wege
erreicht werden können und zu Anerkennung führen. Gewaltprävention hat einen hohen Stellenwert
in unserer Gesellschaft. Sie durchdringt unterschiedliche Aufgabenfelder, von Erziehung und Familie,
Schule und Sozialarbeit bis hin zu Freizeit und Sport.
Bedeutung für den Fußball:
Die Bedeutung des Sports als Medium der Gewaltprävention wird allgemein hoch eingeschätzt und
nicht selten überschätzt. Sport vermittelt notwendige Bewegungsangebote, um sich körperlich abzu-
reagieren. Körperliche Balance und Gesundheit bewirken psychische Ausgeglichenheit und
Zufriedenheit. Sport stärkt das persönliche Selbstwertgefühl und ermöglicht persönliche und soziale
Anerkennung. Im Verein und im Team werden soziales und regelkonformes Verhalten erlernt, durch
das Konflikte entschärft und kanalisiert werden können. Durch den Sport lernen Menschen scheinbar
automatisch, Chancengleichheit zu akzeptieren und mit Mitspieler/innen und Gegner/innen auf
respektvolle, faire und gewaltfreie Art und Weise umzugehen.
Beispiele aus dem Alltag auf und abseits der deutschen Fußballplätze lassen jedoch auch andere
Schlüsse zu. Gewalt im Fußball richtet sich sowohl gegen die physische wie psychische Verfassung
von Spieler/innen. Schon Jugendspieler stellen, so die Ergebnisse der Befragungen von C- und
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Gewaltprävention
Definition:
Unter dem Stichwort Prävention werden allgemein Maßnahmen vorausschauender Problem-
vermeidung verstanden. Prävention gibt es in so unterschiedlichen Bereichen wie der Gesundheits-
vorsorge, der Suchthilfe oder der Kriminalitätsbekämpfung. Durch Prävention sollen mögliche
Problemlagen frühzeitig erkannt und negativen Entwicklungen durch personen- und struktur-
bezogene Maßnahmen nachhaltig vorgebeugt werden. Während personenbezogene Präventions-
strategien sich auf beraterische und therapeutische Interventionen konzentrieren, verfolgen
strukturbezogene Maßnahmen das Ziel, ein für positive Entwicklungen günstiges Umfeld zu
schaffen.
Gewaltprävention ist ein wichtiges Anliegen der sozialen Arbeit. Ihre Ziele sind, die vielschichtigen
Ursachen und Formen von Gewalt zu verstehen, den richtigen Umgang mit Konflikten und
Aggressionen zu schulen und so gewalttätige Auseinandersetzungen zu vermeiden. Gewaltprävention
lässt sich in drei Bereiche einteilen: in der primären Prävention geht es zunächst darum, die persön-
lichen und sozialen Ursachen von Gewalt zu verstehen. Warum reagieren Menschen aggressiv? In wel-
chem Umfeld entsteht Gewalt? Die Ursachen für Gewalt sind oft komplex, doch nicht selten tragen
diskriminierende Strukturen, verwehrte soziale Anerkennung und soziale Ungleichheit zu ihrer
Entstehung bei. Durch die Verbesserung der „Rahmenbedingungen“ sollen individuelles
Aggressionspotenzial und Gewaltbereitschaft gesenkt werden. Durch die Stärkung einer Kultur der
Anerkennung, soll zur Entwicklung einer positiven Identität und eines gesunden Selbstwertgefühls
beigetragen werden. Sekundäre Prävention konzentriert sich auf die Ausbildung sozialer
Kompetenzen wie gewaltfreie Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit, Selbstbeherrschung, Empathie
und Rechtsgefühl. Gewalt darf kein scheinbar „normaler“ Weg der Konfliktlösung sein. Dies kann durch
besondere Qualifizierungsmaßnahmen, wie Anti-Gewalt-Trainings geschehen. Aber auch restriktive
Maßnahmen, zum Beispiel die Kontrolle oder Sanktionierung von Gewalttaten gehören dazu. Tertiäre
Prävention meint aktive Intervention in konkreten Fällen. Ziel ist es, Gewalt zu thematisieren, über die
Folgen von gewalttätigem Handeln aufzuklären und sowohl Gewalttäter/innen als auch Opfer zu
betreuen, um Rückfälle und Eskalationen zu vermeiden. Dies kann zum Beispiel durch pädagogische
Betreuung, Bewährungsauflagen, Sensibilisierungsmaßnahmen oder einen Täter-Opfer-Ausgleich
geschehen. Neben kommunalen und staatlichen Stellen, sind auch viele private Verbände und Vereine
im Bereich der Gewaltprävention tätig.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Die individuellen und sozialen Ursachen und Formen von Gewalt sind vielschichtig. Viele Menschen
werden in sehr unterschiedlichen Bereichen mit Gewalt konfrontiert - in der Erziehung, der Schule, der
Familie oder Nachbarschaft. Gewalt wird dabei nicht nur als körperlicher, sondern auch als psychischer
Fremdzwang erfahren. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen wirken sich Gewalterfahrungen
nachhaltig negativ auf ihre Entwicklung aus. Gewaltprävention erfordert deshalb je nach
Anwendungsgebiet vielfältige Strategien.