INTEGRATION A–Z
FREMDENFEINDLICHKEIT
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Über die Ursachen von Fremdenfeindlichkeit wird seit jeher gestritten. Einige Wissenschaftler/innen
halten die Skepsis gegenüber Unbekanntem und Fremden für natürlich. Sie sei eine anthropologische
Konstante und folge der archaischen Logik der Verteidigung des eigenen Stammes. Andere sehen in
ihr eine sozialpsychologische Folge eigener Ängste und Schwächen, die auf „andere“ Menschen proji-
ziert werden. Eine dritte Theorie, sieht Fremdenfeindlichkeit als eine negative Begleiterscheinung von
Individualisierung und Modernisierung. Der Ausschluss der Fremden stellt eine scheinbar einfache
Methode gesellschaftlicher Konfliktlösung dar.
Bedeutung für den Fußball:
Diskriminierende und vielfach fremdenfeindliche Äußerungen und Gesten am Rande von
Fußballspielen, haben FIFA und DFB dazu veranlasst, ihr Regelwerk und mögliche Sanktionen gegen-
über menschenverachtendem Verhalten nochmals zu verschärfen. Die Vereine sind für das „Verhalten
ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer
Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich“
(
§ 9a Nr.1 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB). Ein Verein, dessen Spieler/innen oder
Zuschauer/innen sich zum Beispiel vor, während oder nach Ende eines Spiels in irgendeiner Weise
menschenverachtend verhalten oder äußern, muss mit Geldstrafen, Sperren, Stadionverboten,
Punktabzügen, der Versetzung in eine niedrigere Spielklasse oder sogar dem Ausschluss aus dem
Wettbewerb rechnen (§ 9 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB).
Das Phänomen Fremdenfeindlichkeit im Fußball lässt sich allerdings nicht auf die vergleichsweise klei-
ne Gruppe auffälliger oder gewaltbereiter „Fans“ reduzieren. Gegenstrategien, zum Beispiel durch
Bildungs- und Informationsangebote, gezielte Öffentlichkeitsarbeit, Vereins- und Faninitiativen oder
sozialpädagogische Fanprojekte sollten daher – das zeigen erfolgreiche Beispiele aus England
46
–
bis
in die Mitte der Gesellschaft hinein wirken und stärker das soziale und organisatorische Umfeld einbe-
ziehen, um gegenseitiges Misstrauen und Vorurteile abzubauen und Fremdenfeindlichkeit entgegen-
zuwirken. Die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit ist traditionell eine Sache der politischen Bildung,
die auch im Fußball weitergeführt werden kann.
Fußball hat das große Potenzial Brücken zu bauen und Fremdheit zu überwinden. Für erfolgreiche
Integration in und durch Fußball sollten bestehende kulturelle Unterschiede als etwas Positives und
nicht als etwas Trennendes begriffen werden. Der Fußball kann vorführen, wie wertvoll Vielfalt ist. Der
gemeinsame Sport hilft dabei Kontakte zwischen Menschen herzustellen, die sich sonst vielleicht nicht
begegnen würden. Wer es jedoch von vornherein ablehnt, sich befremden zu lassen, beschwört
Vorurteile und wechselseitige Gefühle von Fremdheit herauf und verfehlt die Ideale des Sports.
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Vgl.: Back, Les; Crabbe, Tim; Solomos, John (2001): The Changing Face of
Football. Racism, Identity and Multiculturalism in the English Game.
Oxford.
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FREMDENFEINDLICHKEIT
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Fremdenfeindlichkeit
Definition:
Fremdenfeindlichkeit bezeichnet eine ablehnende Einstellung gegenüber Menschen und Gruppen, die
als „fremd“ oder „anders“ und zumeist potentiell „gefährlich“ wahrgenommen werden. Synonym wird
auch von Xenophobie gesprochen. Den Nährboden für Fremdenfeindlichkeit bilden persönliche
Abneigungen, Furcht, Unwissen, Klischees und Vorurteile. Sie richten sich gegen Menschen, die sich
von ihrem Aussehen, Verhalten, Nationalität, Herkunft, Religion oder Kultur vom „Normalen“ unter-
scheiden. Was jedoch als „normal“ gilt, ist abhängig von gesellschaftlichen Umständen.
Fremdheit wird daher nicht nur durch subjektive Empfindungen, sondern auch durch gesellschaftliche
Prozesse bestimmt. Fremde existieren nicht einfach, Fremde werden gemacht. Rechtsextremisten
machen sich teilweise vorhandene fremdenfeindliche Stimmungen in der Bevölkerung zu nutze und
betreiben die Ausgrenzung von Minderheiten. Diese meist medial vermittelten Prozesse werden in der
Wissenschaft als „Othering“ bezeichnet. Durch die gesellschaftliche Stigmatisierung einer Person
oder Gruppe als „fremd“, wird ihr die legitime Zugehörigkeit zur Gesellschaft aberkannt.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Fremdenfeindliche Gewalt, wie die tödlichen Übergriffe in Rostock, Hoyerswerda, Solingen oder Mölln
Anfang der 1990er Jahre haben das Vertrauen vieler Menschen mit Migrationshintergrund in ihre
Sicherheit in Deutschland erschüttert. Fremdenfeindliche Übergriffe, Pöbeleien und Attacken sind
auch heute noch zu registrieren. Fremdenfeindliche Einstellungen finden sich nicht nur unter
Menschen aus sozial benachteiligten Randgruppen, sondern auch in der Mitte der deutschen
Gesellschaft. Nach Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung halten mehr als ein Drittel der Deutschen die
Bundesrepublik durch Ausländer/innen für „überfremdet“.
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Fremdenfeindlichkeit äußert sich in subtilen und alltäglichen Formen. Direkte Kontakte zu
Ausländer/innen und „Fremden“ werden vermieden, mit aktiver Ausgrenzung oder Gewalt gegenüber
Fremden wird stillschweigend sympathisiert. Die „Fremden“ dienen dann als Sündenböcke für allge-
meine gesellschaftliche Entwicklungen, wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, soziale Unsicherheit oder
Kriminalität. Dass diesen Vorwürfen und Unterstellungen sachlich widersprochen werden kann, hilft
mitunter wenig gegen die gefühlte Bedrohung durch „Fremde“. Andere Lebensweisen und scheinbar
fremde Kulturen werden teilweise als bedrohlich oder mit der eigenen unvereinbar betrachtet.
Integration als wechselseitiger Prozess wird somit ausgeschlossen. Fremdenfeindlichkeit drückt sich
deshalb auch in Forderungen nach einer restriktiven Politik gegenüber ausländischen
Arbeitnehmer/innen, Asylbewerber/innen und Migration aus.
Aber Fremdenfeindlichkeit verhindert nicht nur Integration, sie „entfremdet“ die Menschen, die
bereits strukturell, sozial und kulturell integriert sind. So beschimpfen Rechtsextremist/innen
Deutsche mit Migrationshintergrund als „Passdeutsche“ und sprechen ihnen gleichberechtigte
Teilhabe und Zugehörigkeit ab. Dies verdeutlicht, warum der oft synonym zu Fremdenfeindlichkeit
gebrauchte Begriff Ausländerfeindlichkeit irreführend und verharmlosend ist. Denn Fremden-
feindlichkeit trifft nicht alle Ausländer/innen gleichermaßen. So werden auch deutsche
Staatsbürger/innen, also Deutsche, abwertend als „Ausländer“ bezeichnet.
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Vgl.: Decker, Oliver; Brähler, Elmar (2006): „Vom Rand zur Mitte -
Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland“.
Herausgegeben von der Friedrich Ebert-Stiftung.