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FRAUEN- UND MÄDCHENFUSSBALL
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hinaus im Trainings- und Spielbetrieb möglich. Religiöse Vorschriften bzw. religiöse Traditionen und
Fußball lassen sich vereinbaren, wenn die beteiligten Personen gemeinsam eine Lösung finden (wollen).
Fallstudien haben gezeigt, dass die soziale Integration von Mädchen mit Migrationshintergrund durch
den Sport besonders gut funktioniert, sobald die Rahmenbedingungen angepasst wurden.
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Durch den
Sport und das Vereinsleben entstehen den Mädchen und Frauen zusätzliche Orte der Identitäts-
findung, in denen das Selbstvertrauen und die Motivation, auch für Bildung und Beruf, wachsen können.
Besonders der Fußballsport bietet Mädchen und Frauen die Möglichkeit, traditionelle Rollenverhält-
nisse aus anderen Kulturen aufzubrechen und so zur Integration aktiv beizutragen.
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Vgl.: Kleindienst-Cachay, C. (2007): Mädchen und Frauen mit
Migrationshintergrund im organisierten Sport. Baltmannsweiler.
Kleindienst-Cachay, C.; Kuzmik, C. (2007): Fußballspielen und jugendliche
Entwicklung türkisch-muslimischer Mädchen. Ergebnisse einer
Interviewstudie. In: Sportunterricht56, Heft 1. Schorndorf.
Mittlerweile hat sich der Frauenfußball von einer Randsportart zum Breiten- und Leistungssport ent-
wickelt. Insbesondere die mit zwei Welt- und sieben Europameistertiteln überaus erfolgreiche Frauen-
Nationalmannschaft hat viel zur Popularisierung ihres Sports beigetragen. Beispielsweise hat sich die
Zahl der Mädchen-Mannschaften alleine von 2004 bis 2010 mehr als verdoppelt (von 6.866 auf
14.006).
Unter den ca. 6,7 Millionen Mitgliedern im DFB finden sich mittlerweile mehr als eine Millionen
Frauen. Für die FIFA Frauen WM 2011 zeichnet sich eine breite Akzeptanz als übergreifendes und finan-
ziell erfolgreiches Sportevent ab und trägt damit wesentlich zur Gleichstellung von Frauen und
Männern bei.
Bedeutung für den Fußball:
Die Förderung des Frauen- und Mädchenfußballs ist dem DFB ein besonders wichtiges Anliegen.
Fußball ist zudem der Sport, der bei der Integration von Migrantinnen, insbesondere bei der
Erleichterung des Zugangs zum Sport, die größten Erfolge verzeichnen kann. Der Mädchen- und
Frauenfußball bietet vielen Vereinen große Entwicklungspotenziale, die allerdings mit
Herausforderungen verbunden sind. Dies betrifft vor allem die Gewinnung von Trainer/innen oder
Schiedsrichter/innen, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Mitunter fehlt den Vereinen
die erforderliche Infrastruktur, also ausreichende Sportplätze oder deutlich getrennte Sanitäranlagen.
Um die Chancengleichheit und den Interessensausgleich zwischen Männer- und Frauenfußball zu
fördern, sollen Frauen noch mehr für leitende Funktionen in Vereinen und Verbänden gewonnen
werden.
Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund sind bislang nur wenig am organisierten Vereinssport
beteiligt. Insbesondere Mädchen und Frauen aus muslimischen Familien sind in Sport- und
Fußballvereinen bislang relativ selten zu finden. Neben den gängigen Vorbehalten gegenüber der ver-
meintlichen „Männerdomäne“ Fußball, spielen auch kulturelle und religiöse Vorbehalte, wie eine stren-
gere Geschlechtertrennung oder Kleidervorschriften, eine Rolle. Studien haben jedoch ergeben, dass
kulturspezifische Sport- und Körperverständnisse zwar wichtige, aber nicht ausschlaggebende Gründe
sind, die muslimische Mädchen und Frauen vom Fußballspielen abhalten. Vielmehr ist das
Vertrauensverhältnis zwischen den Spielerinnen, Trainer/innen und den Eltern entscheidend, um die
Spielerinnen in einen Verein zu integrieren.
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Die interkulturelle Öffnung der Vereine und die
Förderung interkultureller Kompetenz von Trainer/innen, Betreuer/innen und Vereinsfunktionär/innen
erleichtern die Integration.
Die beste Vertrauensarbeit bietet Teilhabe. Eltern oder Verwandte sollten in das Vereinsleben einge-
bunden werden und so aktiv am Erfolg ihrer Töchter und ihres Teams teilhaben. Gemeinsame Feste,
nicht nur an Weihnachten, sondern auch im Ramadan, bieten dafür eine gute Gelegenheit. Ein sensib-
ler Umgang mit kulturellen und sozialen Unterschieden, fremden Traditionen und religiösen
Vorschriften zahlt sich aus. Mit Fragen und Vorbehalten sollte seitens der Vereine offen umgegangen
werden. Häufige Fragen gelten den Trainingszeiten, da teilweise die Mädchen nicht im Dunkeln alleine
nach Hause gehen dürfen, sowie der Sicherstellung der eindeutigen Geschlechtertrennung hinsicht-
lich der Dusch- und Umkleidekabinen. Natürlich ist regelkonforme lange Sportbekleidung darüber
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Vgl.: Boos-Nünning, Ursula; Karaka
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lu, Yasemin (2003): Kinder und Jugendliche mit
Migrationshintergrund und Sport. In: Schmidt, Werner; Hartmann-Tews, Ilse;
Brettschneider, Wolf-Dietrich (Hrsg.): Erster Deutscher Kinder- und Jugend-
Sportbericht, Schorndorf. S. 319-338; dies.: (2004): Mädchen mit Migrations-
hintergrund und sportliches Engagement. Auswertungen aus der Untersuchung „Viele
Welten leben. Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen mit griechischem, italie-
nischem, jugoslawischem, türkischem und Aussiedlerhintergrund“.