INTEGRATION A–Z
DEMOGRAPHISCHE ENTWICKLUNG
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Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund kaum. Bei der Mitgliedschaft in einem Verein sind
Unterschiede jedoch deutlich erkennbar. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind insgesamt
weniger in Vereinen organisiert als ihre Altersgenossen. Sie treten zudem später einen Verein bei und
früher wieder aus. Die Beteiligung der Kinder ist in hohem Maße abhängig vom Sportverständnis und
Bildungsgrad ihrer Eltern. Wer selbst sportlich aktiv ist und über einen Schulabschluss verfügt, schickt
die eigenen Kinder eher in einen Verein.
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Der Fußball kann helfen, bestehende soziale Ungleichheiten abzubauen und die demographische
Entwicklung sozial abzufedern. Bislang verfügen Menschen mit Migrationshintergrund über geringere
Bildungs- und Berufschancen. Für Jugendliche mit Migrationshintergrund, die in einem Sportverein
organisiert sind, lassen sich allerdings größere Integrationschancen nachweisen, als bei Jugendlichen
mit Migrationshintergrund, die nicht organisiert Sport treiben. Sport besitzt eine ausgeprägte soziale
Funktion. Die Vereine sind wichtige Sozialisationsorte, an denen Jugendliche, die abseits des
Spielfeldes teilweise nur innerhalb der eigenen ethnischen Gruppe bleiben, soziale Kontakte knüpfen,
Freunde finden, voneinander lernen, Erfolge feiern und Niederlagen verarbeiten können. Die
Integration des/der Einzelnen und seine/ihre Zugehörigkeit zu einem Sportverein beeinflussen sich
also gegenseitig.
Am wenigsten beteiligt am organisierten Fußball sind Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund.
Vor allem Mädchen und Frauen muslimischen Glaubens sind in den Sportvereinen kaum zu finden.
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Neben dem Umstand, dass Fußball noch immer undifferenziert als eine „Männerdomäne“ betrachtet
wird, spielen auch kulturelle Vorbehalte, wie eine strengere Geschlechtertrennung oder religiöse
Vorschriften (zum Beispiel Kleidung), eine Rolle. Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass diese
Vorbehalte wichtige, aber nicht entscheidende Hinderungsgründe sind, die Mädchen und Frauen vom
Fußballspielen abhalten. Vielmehr ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Spielerinnen und
Trainer/innen sowie den Eltern entscheidend, um die Spielerinnen in den Verein zu holen und dann
dort langfristig zu binden.
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Integration in den Sport bedeutet, eine noch größere Zahl von Kindern und Jugendlichen, Jungen und
Mädchen, für den Vereinssport zu begeistern. Gleichzeitig müssen die ehrenamtlichen Strukturen
auch aus den Potenzialen der Menschen mit Migrationshintergrund weiterentwickelt werden. Um
Spieler/innen und Ehrenamtliche unterschiedlicher Herkunft aktiver ins Vereinsleben einzubeziehen,
ist die Förderung der interkulturellen Öffnung der Vereine ein wichtiger Beitrag. Kulturelle
Unterschiede und daraus resultierende beidseitige Unsicherheiten, Unwissenheit über das
Vereinswesen, Verständigungsprobleme und mögliche Diskriminierungen können insbesondere durch
offene Gespräche miteinander ausgeräumt werden.
Ethnisch und kulturell vielfältige Mannschaften werden angesichts des demographischen Wandels
immer alltäglicher. Bereits heute fühlen sich gut 45% der Sportvereine Deutschlands akut vom demo-
graphischen Wandel betroffen, mehr als 15% davon halten den steigenden Anteil von Menschen mit
Migrationshintergrund im Verein für die entscheidende Veränderung.
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Alle Beteiligten im Fußball und
der Sport im Allgemeinen sollten sich auf diese Entwicklung vorbereiten, um für die Zukunft gut auf-
gestellt zu sein.
14
Kalter, Frank (2003): Chancen, Fouls und Abseitsfallen. Migranten im deutschen Ligenfußball. Wiesbaden.
15
Vgl.: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2009): Muslimisches Leben in Deutschland. Im Auftrag der
Deutschen Islam Konferenz.
16
Kleindienst-Cachay, Christa (2007): Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund im organisierten
Sport. Baltmannsweiler.
17
Vgl.: Deutscher Olympischer Sportbund / Bundesinstitut für Sportwissenschaft (2006): Sportvereine und
demografischer Wandel. Köln.
Umdenken hinsichtlich der Gesundheitsvorsorge (hier kann dem organisierten Sport eine besondere
Rolle zukommen) sowie hinsichtlich der Bildung, Mobilität, Freizeit- und Lebensgestaltung für und von
älteren Menschen.
Der dritte Trend der demographischen Entwicklung zeigt in Richtung einer zunehmenden
Pluralisierung der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wird Integration als wichtiges Zukunfts-
thema betrachtet. Weil Integration nicht nur Ausländer/innen, sondern vor allem auch Kinder der
nachfolgenden Generationen sowie Eingebürgerte betrifft, wurde dafür der Begriff „Migrations-
hintergrund“ in die Statistik eingeführt. Das Statistische Bundesamt definiert als Menschen mit
Migrationshintergrund „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche
Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen
Elternteil.“.
Von den rund 82 Millionen Menschen, die im Jahr 2007 in Deutschland lebten, hatten fast ein Fünftel
einen Migrationshintergrund. Weniger als die Hälfte davon sind Ausländer/innen und rund ein Drittel
ist in Deutschland geboren. Statistisch sind Menschen mit Migrationshintergrund durchschnittlich
deutlich jünger als Deutsche ohne Migrationshintergrund. Dies hat Folgen, die sich bereits heute in
Ballungsgebieten zeigen. In einigen westdeutschen Großstädten wie Stuttgart oder Frankfurt hat
bereits ein Drittel der Einwohner/innen einen Migrationshintergrund - bei Kindern unter fünf Jahren
ist es mehr als jedes zweite. Die Ursache dafür ist eine anhaltend geringe Kinderzahl der Deutschen
ohne Migrationshintergrund. Die Schätzungen gehen davon aus, dass sich das zahlenmäßige
Verhältnis der Menschen ohne und mit Migrationshintergrund in den größeren deutschen Städten bis
spätestens 2020 ausgeglichen hat. Deutschlandweit ist langfristig mit einer ähnlichen Entwicklung zu
rechnen.
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In der Diskussion um den demographischen Wandel in Deutschland existieren teilweise
Angstszenarien: fehlender Nachwuchs, Generationenkonflikte, soziale Unsicherheit und
„
Überfremdung“ bestimmen die Wahrnehmung. Dabei bieten höhere Lebenserwartung und gesell-
schaftliche Pluralisierung auch neue Potenziale, um die Zukunft erfolgreich zu gestalten.
Vorrausetzung dafür sind gleichberechtigte Teilhabe aller Bürger/innen, Toleranz, Anerkennung,
Solidarität, Bildung und Identifikation. Integration kann helfen, sowohl Konflikten zwischen den
Generationen als auch zwischen den Menschen unterschiedlicher Herkunft vorzubeugen.
Bedeutung für den Fußball:
Die demographische Entwicklung erfordert auch im Fußball Anpassungsleistungen wie die Schaffung
adäquater Angebote für Ältere oder im Bereich Integration. Die Zukunft des Fußballs und des Sports
im Allgemeinen hängt auch von der aktiven Beteiligung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund
ab. In den Ballungszentren finden sich bereits heute nur wenige Mannschaften ohne Sportler/innen
mit Migrationshintergrund. Wie erfolgreich solche interkulturellen Teams sein können, haben
die Nationalmannschaften des DFB mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Hinsichtlich ihrer Sportbegeisterung und Leistungsbereitschaft unterscheiden sich Kinder und
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Ebd.