INTEGRATION A–Z
CHANCENGLEICHHEIT
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Chancengleichheit
Definition:
Chancengleichheit verbindet den demokratischen Anspruch sozialer Gerechtigkeit mit dem Recht auf
Teilhabe und der Gleichverteilung von Zugangsmöglichkeiten zu gesellschaftlichen Ressourcen. Die
Verwirklichung von Chancengleichheit unter allen Bürger/innen und Bevölkerungsgruppen ist eine
zentrale sozialpolitische Forderung des Liberalismus. Im Gegensatz zu weiterreichenden, zum Beispiel
sozialistischen Gleichheitsforderungen, sollen durch gerechte Start- und Rahmenbedingungen allen
Bürger/innen gleiche Bildungs-, Berufs-, und Lebenschancen ermöglicht werden. Das Recht auf
Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen und der Schutz vor sozialer Diskriminierung gewährleis-
ten allen Bürger/innen freie Entfaltungsmöglichkeiten, nach ihren individuellen Vorlieben und
Fähigkeiten. Das Prinzip der Chancengleichheit fordert nicht, dass alle Bürger/innen gleich sein müs-
sen, sondern die gleichen Chancen besitzen, sich nach ihren eigenen Vorstellungen zu verwirklichen.
Als ein Ideal der demokratischen Gesellschaft sichert Chancengleichheit den sozialen Frieden zwi-
schen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Ein Blick auf die soziale Wirklichkeit zeigt, dass die Chancengleichheit in Deutschland in einigen
Bereichen weiterentwickelt werden kann. Verschiedene Studien zum deutschen Bildungssystem kom-
men zu dem Ergebnis, dass Bildungserfolge – und damit gesellschaftliche Aufstiegschancen – stark
von sozialen Kriterien abhängen. Im europäischen Vergleich scheint das deutsche Schulsystem beson-
ders selektiv.
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Schulkinder verfügen demnach nicht über gleiche Startbedingungen, sondern ihr Erfolg
ist an ihre soziale Herkunft, ihr kulturelles Lebensumfeld und ihre individuelle Förderung geknüpft.
Insbesondere für die Bildungskarriere von Menschen mit Migrationshintergrund können dadurch
Nachteile entstehen.
Chancenungleichheit und Diskriminierung stellen die soziale Gerechtigkeit in Frage und bergen nach-
haltige Risiken für die Gesellschaft. Sie führen zur Verfestigung sozialer Ungleichheit, sozialer
Desintegration und Segregation. Dies verursacht soziale Konflikte und blockiert wichtige Potenziale
für die Zukunftsentwicklung Deutschlands, die angesichts der demographischen Entwicklung dringend
genutzt werden müssten.
Trotzdem besteht in Deutschland über das Ideal der Chancengleichheit grundsätzlich Einigkeit.
Umstritten ist, mit welchen Mitteln und zu welchem Grad mehr Chancengleichheit verwirklicht werden
kann und sollte. Chancengleichheit bedeutet die Abschaffung von Diskriminierungen, zum Beispiel
aufgrund der sozialen oder kulturellen Herkunft, des Geschlechts, des Alters. Um den rechtlichen
Schutz vor Diskriminierungen zu stärken, wurde 2006 ein neues Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ver-
abschiedet. Opfer von Diskriminierungen können sich nun vor Gericht effektiver dagegen wehren.
Präventive Möglichkeiten, Chancengleichheit und Gleichbehandlung zu fördern, sind zum Beispiel so
genannte affirmative actions, wie die finanzielle Unterstützung sozial Benachteiligter, gezielte
Fördermaßnahmen im Bildungs- oder Arbeitsbereich sowie Quotenregelungen. Solche Maßnahmen
sind allerdings umstritten, weil sie neue, „positive Diskriminierungen“ schaffen können.
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Vgl.u.a.: Pisa- Konsortium Deutschland (Hrsg.) (2004): PISA 2003. Bildungsstand
der Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse des zweiten internationalen
Vergleichs. Münster; Bos, Wilfried u. A. (Hrsg.) (2007): IGLU 2006. Lesekompetenzen
von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster;
Der Paritätische Gesamtverband (Hrsg.) (2010): Bildungschancen von Migrantinnen
und Migranten: Fakten – Interpretationen – Schlussfolgerungen. Berlin.
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AUSLÄNDER/IN
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so genannte „Local-Player-Regelung, nach der die Vereine in ihren Lizenz-Kadern in Deutschland aus-
gebildete Jugendspieler besonders berücksichtigen müssen. Die FIFA plant jedoch die Einführung
eines Pflichteinsatzes von nationalen Spielern („6+5-Regel“), ein Vorstoß der allerdings umstritten ist
und insbesondere bei den Vereinen auf Widerstand stößt.
Neben der Hoffnung durch die Verpflichtung von ausländischen Spieler/innen die Spielkultur der
Mannschaft zu beleben, können sie auch für das Marketing der Profi-Clubs wichtig sein. Da
Profifußball ein mediales Sportereignis mit globaler Verbreitung ist, werden Ausländer/innen auch als
Identifikationsfiguren verpflichtet, die ein internationales Publikum an den Verein binden. Und doch
gibt es Fälle, in denen ausländische Spieler Opfer von Diskriminierung und Rassismus werden.
Fanprojekte, Vereine und Verbände versuchen durch Initiativen Rassismus und Ausgrenzung vorzu-
beugen und eine Kultur des gegenseitigen Respekts und der Anerkennung zu schaffen.