INTEGRATION A–Z
AUSLÄNDER/IN
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Der Zustrom der genannten „Gastarbeiter“ nach Deutschland in den 1960er und 70er Jahren prägt
die deutsche Gesellschaft bis heute. Durch sie veränderte sich auch die deutsche Sportlandschaft,
denn ein Teil der Migrant/innen organisierte sich in ihrer Freizeit in eigenen ethnischen Sportvereinen.
Dass die „Gastarbeiter“ in ihrer Gesamtheit wieder in ihre Heimatländer zurückkehren würden, war
eine Fehleinschätzung sowohl der bundesdeutschen Ausländerpolitik, als auch vieler „Gastarbeiter“.
Der Schriftsteller Max Frisch sagte dazu: „Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen.“. Die bis
Ende der 1990er Jahre noch offizielle politische Losung „Deutschland ist kein Einwanderungsland“
verdeckte, dass es faktisch schon immer eines war. Durch diese Losung wurden jahrelang
Integrationschancen verwehrt und verpasst. Gleichzeitig richteten sich viele „Gastarbeiter“ in der
Gewissheit ein, in ihr Heimatland zurückzukehren und sich daher nicht vollständig auf die neue Heimat
einlassen zu müssen. Die Einsichten änderten sich erst zum Jahrtausendwechsel, insbesondere mit
Blick auf die demographische Entwicklung Deutschlands sowie auf die Tatsache, dass nun mittlerweile
bereits die eigenen Kinder und Enkel in der neuen deutschen Heimat geboren wurden. Ein neues
Zuwanderungsgesetz trat 2005 in Kraft. Es soll insbesondere den Zuzug von Hochqualifizierten för-
dern. Die Zahl der Ausländer/innen in Deutschland liegt seit den 1990er Jahren konstant zwischen
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und 7,5 Millionen. Die größten Gruppen kommen aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien und
der ehemaligen Sowjetunion, wobei die sogenannten „Spätaussiedler“ nicht als Ausländer/innen
bezeichnet werden. Unter den EU-Bürger/innen sind es besonders Menschen aus Italien, Polen und
Griechenland, die in Deutschland leben.
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Bedeutung für den Fußball:
Der Fußball ist in nationalen Verbänden organisiert. In den deutschen Nationalmannschaften darf nur
spielen, wer einen deutschen Pass besitzt. Dass dies auch Spieler/innen mit Migrationshintergrund
sein können, hat sich spätestens durch die überragenden Erfolge des deutschen Teams bei der WM
2010
in Südafrika in den Köpfen festgesetzt. Inzwischen sind Namen wie Podolski und Özil im deut-
schen Team selbstverständlich und schaffen Impulse für den Nachwuchs, es ihnen nachzutun.
Fußball ist mittlerweile eine internationale Ökonomie und Kultur. In der Bundesliga sind heutzutage
etwa die Hälfte der Spieler Ausländer, darunter einige, die in Deutschland geboren sind, jedoch keinen
deutschen Pass besitzen. Ebenso finden viele deutsche Spieler/innen oder Trainer/innen im Ausland
eine Anstellung. Ausländische Profis haben in der Regel in Deutschland kein Problem, eine
Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Wesentlich schwieriger ist die Lage für ausländische Amateure,
wie der Fall des ehemaligen Flüchtlings und Jugendspielers von Schalke 04, Hiannick Kampa, zeigt.
Trotz bester Leistungen in der Schule und auf dem Platz sollte er nach Ablauf seiner Duldung in den
Kongo gehen. Die drohende Abschiebung konnte durch eine vereinte Initiative des Vereins und seiner
Schule abgewendet werden.
Seit dem für den Sport grundlegenden „Bosman-Urteil“ aus dem Jahre 1995 dürfen Spieler/innen aus
EU-Ländern ohne Beschränkungen in allen Ligen eingesetzt werden. Zuvor gab es für Spieler/innen
aus dem Ausland bestimmte Einsatzbeschränkungen. Für Spieler/innen aus Nicht-EU-Staaten gibt es
solche unterhalb der 2. Bundesliga weiterhin. Für die Bundesligen gilt seit der Spielzeit 2006/07 die
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Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2007): Demografischer
Wandel in Deutschland. Wiesbaden.
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AUSLÄNDER/IN
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Ausländer/in
Definition:
Im Sinne des Gesetzes gilt als Ausländer/in, wer nicht über eine deutsche Staatsbürgerschaft verfügt,
also auch keinen deutschen Pass besitzt. Maßgeblich hierfür sind §116 des Grundgesetzes (GG) und das
Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Ausländer/innen haben nicht die gleichen Bürgerrechte wie Deutsche,
wohl aber sind sie nicht rechtlos. Ihre Rechte, zum Beispiel das Recht zum längerfristigen Aufenthalt
oder die Arbeitserlaubnis, variieren je nachdem von wo, wie lange und zu welchem Zweck sie nach
Deutschland gekommen sind. Die weitestreichenden Rechte haben Staatsbürger/innen aus den
Ländern der Europäischen Union. Sie dürfen sich ohne Beschränkungen niederlassen, arbeiten und
auf kommunaler Ebene wählen.
Ausländer“ ist ein relationaler Begriff, denn so banal es klingt, ein Kroate ist in Deutschland ein
Ausländer, in Kroatien aber ist er Inländer. Auch der Fußball kennt seine eigenen Gesetze. Bis zur
Saison 2006/2007 gab es die Regel des Fußball-Deutschen, nach der Spieler/innen ohne deutschen
Pass, die fünf Jahre in Deutschland Fußball gespielt hatten, nicht unter die Ausländerregel fielen.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Migration und Integration sind weltweit sozialhistorische Normalität. Trotzdem hat in vielen Sprachen
das Wort Ausländer einen negativen Beigeschmack, nicht selten werden Ausländer/innen Opfer von
Vorurteilen und Stigmatisierungen. In Deutschland wurden eingebürgerte Zuwanderer/innen lange als
ausländische Mitbürger“ tituliert, obwohl sie bereits Deutsche waren. Heute wird dagegen eher der
weite Begriff der Menschen mit Migrationshintergrund gebraucht. Als solche gelten auch Deutsche,
die keine eigene Migrationserfahrung haben, von denen aber mindestens ein Eltern- oder
Großelternteil zugewandert ist. So gesehen hatte 2006 jeder fünfte Einwohner Deutschlands einen
Migrationshintergrund.
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Migration stellte schon immer eine Herausforderung für die „Ausländerpolitik“ Deutschlands dar,
Integration war jedoch lange Zeit nicht ihr erklärtes Ziel. Die Geschichte der Ausländerpolitik steht in
engem Zusammenhang mit der späten Entwicklung Deutschlands zum Nationalstaat, der aus
Preußen, Sachsen und Bayern Deutsche machte sowie mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung
und deren Bedarf an Arbeitskräften. Diese historischen Entwicklungen verliefen jedoch nicht ohne
Widersprüche. Sie war gleichermaßen von einem hohen Maß an Integration und einem steten
Potenzial radikaler Ausländerfeindlichkeit geprägt. Von Zuwander/innen profitierte die deutsche
Wirtschaft zu allen Zeiten, Millionen von Menschen fanden über die Jahre in Deutschland eine neue
Heimat. Zu Krisenzeiten führte jedoch der Unmut gegenüber der vermeintlichen ausländischen
Konkurrenz zu einer strengen Ausländerpolitik. Feindliche Einstellungen gegenüber Nicht-Deutschen
entwickelten die Nationalsozialisten zu einer vernichtenden rassistischen Ideologie. Fremden-
feindlichkeit ist aber auch heute noch ein Thema. Noch immer wird die Tatsache, dass ein Teil der
Migrant/innen in sozial schwierigen Verhältnissen lebt, von einigen als kulturelle oder ethnische
Andersartigkeit und Minderwertigkeit ausgelegt.
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Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2007): Demografischer
Wandel in Deutschland. Wiesbaden.
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Vgl.: Herbert, Ulrich (2001): Geschichte der Ausländerpolitik in
Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge.
München.