INTEGRATION A–Z
ANERKENNUNG
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Mitglieder der Gesellschaft rechtliche und soziale Anerkennung erhalten. Anderseits müssen
Migrant/innen auch die Gesetze und Regeln der Aufnahmegesellschaft anerkennen.
Gesellschaftliche Anerkennung und Teilhabe erfordern die selbstbewusste Artikulation der eigenen
Bedürfnisse und Interessen durch Individuen und Gruppen. Abweichende Meinungen oder unter-
schiedliche kulturelle Auffassungen müssen daher anerkannt, aber auch zur Debatte gestellt werden.
Dabei ist die Chance aller auf gleichberechtigte Teilhabe an gesellschaftlichen Dialogen wichtig.
Integration sollte einen Anerkennungsprozess unterstützen, der bei Menschen mit und ohne
Migrationshintergrund gleichermaßen das Selbstbild selbstbewusster Bürger fördert.
Leider gibt es Menschen, die ihre Ansprüche nach sozialer Anerkennung, Integration oder Akzeptanz
in Form von Gewalt ausdrücken. Verschiedene Formen von Gewalt und Extremismus haben ihre
Wurzeln in versagter sozialer Anerkennung. Die Entwicklung einer gemeinsamen Kultur der
Anerkennung ist ein gesamtgesellschaftliches Ziel, zu dem Teilbereiche wie Familie, Schule, Politik und
Sport beitragen können.
Bedeutung für den Fußball:
Die Förderung einer Kultur der Anerkennung im Sport und im Fußball bedarf unterschiedlicher Formen
spielerischen und verletzungsfreien Wettbewerbs. Durch Spiele können gegenseitiger Respekt,
Fairplay und Anerkennung gelernt werden. Fußball hat dafür als populärster Mannschaftssport
Deutschlands aufgrund seiner Breitenwirkung eine besondere Bedeutung. Die Achtung der körperli-
chen und seelischen Integrität von Mitspieler/innen, Gegenspieler/innen, Schiedsrichter/innen und
Zuschauer/innen ist unverzichtbar für das Spiel.
Fußball ist ein technisch anspruchsvolles, emotionales und kampfbetontes Spiel, bei dem sportliche
Erfolge sowohl von den individuellen Fähigkeiten der Spieler/innen als auch von ihrem Zusammenspiel
und Teamgeist abhängen. Fußball lehrt den Umgang mit Rückschlägen (Frustrationstoleranz).
Sportliche Niederlagen bedeuten keine vorenthaltene Anerkennung oder Versager/innen zu sein.
Dieses Selbstverständnis müssen Trainer/innen vermitteln. Rituale wie der Handschlag während und
nach dem Spiel helfen, dieses Selbstverständnis zu leben.
Die Entwicklung sportpädagogischer Kompetenzen ist eine wichtige Aufgabe der Trainer/innen.
Leistungsunterschiede zwischen Spieler/innen müssen nicht ignoriert werden, doch sollte
Anerkennung auch auf der Grundlage individueller Anstrengungen und Lernerfolge bemessen wer-
den. Jede erlebte Anerkennung steigert das Selbstwertgefühl der Spieler/innen und damit auch ihre
Teilhabechancen und Erfolgsaussichten in anderen gesellschaftlichen Bereichen.
Eine Kultur der Anerkennung im Verein bedeutet, Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft,
Religion, sexueller Orientierung, unterschiedlichen Geschlechts, Menschen mit und ohne Behinderung,
ob arm oder reich gleichermaßen ein Gefühl der Geborgenheit und des Auf- und Angenommenseins
zu vermitteln. Die Rücksichtnahme auf religiöse Vorschriften und Feste gehören genauso dazu, wie
der Respekt vor persönlichen Schamgrenzen oder dem individuellem Umgang mit Alkohol.
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ANERKENNUNG
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Anerkennung
Definition:
Anerkennung ist eine Grundvoraussetzung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, sowohl hinsicht-
lich der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen als auch hinsichtlich des Geltungsanspruches
von Werten und Normen. Anerkennung beruht auf Wechselseitigkeit (Reziprozität). Das Bedürfnis
nach Anerkennung ist ein wichtiges Motiv sozialen Handelns und hat großen Einfluss auf die Stabilität
sozialer Beziehungen. Die Verweigerung von Anerkennung ist daher ein soziales Sanktionsmittel.
Anerkennung wird zuweilen synonym zu Akzeptanz, der aktiven oder passiven Zustimmung zu
Entscheidungen oder Handlungen, sowie synonym zu Respekt, einer Form sozialer Achtung, verwen-
det.
Anerkennung wird in verschiedene Formen unterteilt: persönliche, institutionalisierte und soziale
Anerkennung. Die Psychologie geht davon aus, dass die Erfahrung persönlicher Anerkennung in den
sogenannten Primärbeziehungen zu Familie und Freunden, durch Zuwendung, Respekt, Empathie und
Lob entscheidend zur Entwicklung eines positiven Selbstbewusstseins und Selbstvertrauens beiträgt.
Durch Rückversicherung mit der sozialen Umwelt entwickelt sich eine individuelle Identität.
Institutionalisierte Anerkennung bezeichnet die rechtliche Gleichstellung einer Person oder Gruppe
innerhalb eines bestimmten Geltungsbereichs. So folgt auf die Einbürgerung die Anerkennung der
Staatsbürgerschaft. Sie ist die Basis der Teilhabe und Gleichberechtigung aller Bürger. Gesetze beru-
hen auf einer wechselseitigen Anerkennung, die durch das Recht auf politische Mitbestimmung garan-
tiert wird. Auch Flüchtlinge oder Asylbewerber/innen benötigen eine rechtliche Anerkennung.
Ausschluss und institutionelle Diskriminierung verwehren dagegen Anerkennung.
Soziale Anerkennung meint die Zustimmung und Wertschätzung individueller Besonderheiten und
alternativer Lebensformen. Anerkennung ist hier das Selbstverständnis einer Gesellschaft, die von
kultureller Vielfalt geprägt ist, jedoch dem Individuum keine Lebensweisen aufdrängt. Die Erfahrung
als Mensch und Persönlichkeit anerkannt zu werden, stärkt das Selbstwertgefühl und die Solidarität
des/r Einzelnen. Anerkennung ist daher eine Grundvoraussetzung zur Selbstverwirklichung. Das
Gegenteil von sozialer Anerkennung wäre beleidigendes, rassistisches oder auf andere Weise diskri-
minierendes Verhalten.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Persönliche, institutionelle und soziale Anerkennung sind eng miteinander verbunden und bedingen
sich gegenseitig. Rechtliche Anerkennung garantiert „unter Gleichen“ an der Gesellschaft teilhaben
zu dürfen. Soziale Anerkennung bestärkt die freie kulturelle Entfaltung. Persönliche Anerkennung legt
den Grundstein dafür, diese Möglichkeiten auch wahrnehmen zu können. Dazu gehören Selbstachtung
sowie der Respekt gegenüber Anderen. Für die individuelle Selbstverwirklichung ist die Anerkennung
kultureller, sozialer oder geschlechtsspezifischer Unterschiede grundlegend. Die wechselseitige
Anerkennung von Vielfalt wird dann zu einem Teil der eigenen Identität.
Wechselseitige Anerkennung bestimmt auch das rechtliche Verhältnis von Migrant/innen und
Aufnahmegesellschaft. Einerseits müssen Menschen mit Migrationshintergrund als gleichberechtigte