Die Gesamtzahl von rund 430 Millionen Zuschauern
seit 1963 macht sie zum führenden Unterhaltungsbe-
trieb des Landes. Kein Opernhaus, kein Musical, kein
Filmpalast und auch keine TV-Show kann eine solche
kontinuierliche Anziehungskraft vorweisen. Die Bundes­
liga ist ihr eigenes Theater, ein Theater der Leiden-
schaften. Schauspieler hat sie auch; manchmal ein paar
zu viel, aber für Unterhaltung ist immer gesorgt. Ihr
unschlagbarer Vorzug gegenüber dem Theater- oder
Kinobesuch liegt in der Weisheit Sepp Herbergers: „Die
Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es
ausgeht.“
Mancher mag einwenden, dass es so ungewiss nicht
mehr ist, weil Bayern München Jahr für Jahr als Top-Fa-
vorit ins Rennen geht und zwei, drei andere Klubs durch
die regelmäßig verdienten Gelder aus der Champions
League in ihrer eigenen Liga spielen würden. Wenn sich
auch die Dominanz des Rekordmeisters, der 21 der 50
Bundesliga-Saisons gewann, nicht von der Hand weisen
lässt, macht es doch stets den Reiz aus, ihn zu schlagen.
Und dass „in der Bundesliga jeder jeden schlagen­
kann“ (Rehhagel), erleben wir an jedem zweiten oder
dritten Spieltag.
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Grundstock der Mün-
chen-Dynastie: 1972 wird
Bayern zum zweiten Mal
Bundes­liga-Erster – der
dritte von bisher 23
Meister­titeln.
Fakt ist jedenfalls, dass in den vergangenen zehn
Jahren fünf verschiedene Klubs Meister geworden sind;
mehr als in allen anderen europäischen Super-Ligen,
wo die Meisterschaft ein allmählich ermüdender Kampf
der immer gleichen Giganten ist. Die Bundesliga hinge-
gen hat viele Supermächte gesehen. Der 1. FC Köln war
die erste, er hatte das beste Konzept und war 1963 am
besten vorbereitet auf das Abenteuer.
Der Orientierungsphase in den Gründerjahren mit
fünf verschiedenen Meistern (1. FC Köln, Werder Bremen,
1860
München, Eintracht Braunschweig und 1. FC Nürn-
berg) in den ersten fünf Spielzeiten folgte die „Macht­
übernahme“ durch Bayern München und Borussia
Mönchengladbach, die von 1969 bis 1977 die Meister-
schaft unter sich ausmachten. Die Gladbacher gewan-
nen ihre fünf Titel unter schwierigen Voraussetzungen
wegen des kleinen Stadions und entsprechender finan-
zieller Möglichkeiten. Die Bayern, begünstigt durch das
für Olympia 1972 fertiggestellte Großstadion, profitier-
ten von professionellemManagement und schon damals
stark entwickeltem Selbstbewusstsein, das mit jedem
Erfolg wuchs. Die Achse Maier-Beckenbauer-Müller
stand fast 15 Jahre für Erfolg – und Effizienz.