ABB. 4
TIME-USE ANALYSIS OF PRACTICE
2.
DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
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steht ein ungünstiges Theorie-Praxis-Verhältnis, werden
solche Spielformen zu wenig gewichtet, die die Spielin-
telligenz zu fördern scheinen.
Was ist ferner ein „angemessenes“ System oder Leis-
tungsumfeld, um Spieler zu entwickeln? Darüber wird
diskutiert und lässt sich weiter diskutieren. Es gibt eine
große Debatte über die relative Bedeutung einer Spezia-
lisierung der Spieler gegenüber diversifizierten Kompe-
tenzen und damit dem optimalen Verhältnis. Auf allen
Kontinenten sammeln die Spieler seit ihrem sechsten
Lebensjahr eine Menge Praxiserfahrungen. Und sie en-
gagieren sich auch in anderen Sportarten. Sie sind also
im Allgemeinen in jungen Jahren umfassend sportlich
engagiert, ohne sich frühzeitig zu spezialisieren. Auf
dem Eliteniveau wird aber tendenziell eine Spezialisie-
rung der Fähigkeiten verlangt.
Im Training spielt für die Entwicklung der Spieler auch
die Frage nach der relativen Bedeutung von Spiel- und
Übungsanteilen eine Rolle. Womöglich ist auch eher die
explizite oder implizite Anleitung durch den Trainer ent-
scheidend, die Art, wie die Entwicklungsprozesse ge-
steuert werden.
Diskutiert wird zudem darüber, inwieweit im Zusammen-
hang der Altersverteilung in einem Jahrgang die biologi-
sche Reife gegenüber dem Talent Vorteile bringt. Es ist
nicht anzuraten, sich bei der Talentauswahl in erster
Linie an der Größe bzw. körperlichen Entwicklung eines
Spielers zu orientieren, zumindest sind international
gesehen diesbezüglich die Erkenntnisse widersprüch-
lich. In England scheint dies der Fall zu sein, mit 48% ist
die eindeutige Mehrheit der 6078 Premiere-League-
Akademie-Spieler im dritten Quartal geboren und damit
die jahrgangsälteste Gruppe (Jahrgangseinteilung be-
ginnt mit Geburtsmonat September). Blickt man aber
auf die Kandidatenlisten der Wahlen zum Spieler des
Jahres in Europa und der Welt, gibt es ironischerweise
keine derart auffälligen Differenzen. Offenbar scheinen
technische Fähigkeiten und Faktoren der Spielintelli-
genz doch eine größere Rolle bei der Bestimmung und
Durchsetzung eines Talents zu spielen, wenn körperliche
Nachteile nicht nachhaltig ins Gewicht fallen.
Letztlich ist die Diskussion über das Vorgehen bei der
Talentsuche auf der einen und der Talententwicklung
auf der anderen Seite nicht abgeschlossen. Feststehen
dürfte, dass ein Leistungsumfeld relevant ist, das syste-
matisch darauf ausgerichtet ist, umfassende Adaptionen
der Spieler im Sinne der Spielintelligenz zu evozieren. In
diesem Zusammenhang gilt es Motivation und Beharr-
lichkeit der Spieler zu fördern, denn letztlich gibt es kei-
ne Abkürzung auf dem Weg zur Spitze. Die Formel heißt:
Üben, Üben, Üben!“
Die Bedingungen, unter denen sich Lernprozesse vollzie-
hen, weichen durchaus von denen ab, unter denen kurz-
fristig Leistungsverbesserungen erzielt werden.
Betrachtet man z.B. den Straßenfußball hinsichtlich der
Adaptionen der Spieler, geschieht dies eher beiläufig,
ohne strukturierte Instruktionen und gekennzeichnet
durch hohe Variabilität.
Wir haben auf drei Leistungsebenen 80 Videos von Trai-
ningseinheiten in England ausgewertet, um die konzep-
tionelle Trainingsrealität und den Umgang der Trainer
mit ihren Spielern ins Auge zu fassen. Das betrifft ers-
tens das Training der Nachwuchselite, d.h. der Akade-
mie-Spieler, das durch UEFA-A-Trainer und in einigen
Fällen Pro-Lizenz-Trainer geleitet wird, zweitens das
Training von guten Spielern eine Division tiefer (Sub-
elite) und drittens Training in Amateurclubs (Abb. 4).
Eine typische Einheit dauert im Schnitt 108 Minuten. Die
Y-Achse gibt den prozentualen Anteil der auf der X-Ach-
se abgebildeten Aktivitäten in einer solchen Einheit an.
Physiological“ bedeutet Aktivitäten ohne Ball (Aufwär-
men, Cool down usw.), „Technical Practice“ ist die Arbeit
mit Ball, aber ohne Gegner (Schießen, Passen usw.),
Skills Practice“ ist die Arbeit mit Ball und Gegner, aber
ohne gruppentaktische Elemente. Diese Elemente sind
unter „Training Form“ zusammengefasst, während un-
ter „Playing Form“ die Elemente subsummiert sind, die
eher die Anforderungen des Wettkampfes abbilden.
65%
der Zeit wird durch (theorielastige) „Training
Form“-Aktivitäten abgedeckt, 35% durch „Playing
Form“-Aktivitäten. Wenn man argumentiert, dass beson-
dere Kompetenzen durch spezifische Adaptionen abhän-
gig vom Trainingskonzept entwickelt werden, ist die in-
teressante Frage, ob diese Aufteilung der Trainingszeit
einer effizienten Nutzung entspricht. Möglicherweise be-
Time per Session (%)
Practice Activity
Training Form
Playing Form
40
30
45
35
25
20
15
10
5
0
Physio-
logical
Technical
Practice
Skills
Practice
Functional
Practice
Phase of
Play
Possession
Games
Conditioned
Games
Small Sided
Games
Elite Sub Elite
Non Elite