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DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
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Spielintelligenz – Trainingseffekte/Anpassun-
gen des menschlichen Organismus
Nicht das Training per se ist für die Leistungsentwick-
lung entscheidend, sondern die (kognitiven) Adaptionen
des Spielers als Ergebnis des Trainings sind für die Aus-
bildung seiner Fähigkeiten relevant. In diesem Zusam-
menhang zeichnet sich der menschliche Organismus
durch bedeutende neurologische Anpassungsprozesse
auf biologischer, biomechanischer und psychologischer
Ebene aus. Im Folgenden werde ich insbesondere einige
Anpassungen in Bezug auf die Entwicklung von Faktoren
der Spielintelligenz, wie Antizipation und Entscheidungs-
kompetenz, beleuchten.
In diesem Kontext ist aber nicht nur in erster Linie der
Umfang des Trainings, sondern dessen Qualität bedeu-
tend. Daran anknüpfend haben wir detailliertere Trai-
ningsanalysen gemacht und seit vier Jahren Daten von
verschiedenen Gruppen von Premiere-League-Akade-
mie-Spielern gesammelt. Alle Spieler sind mit 6 Jahren
in die Akademie gekommen und haben sich dort bis zum
Alter von 16 Jahren als Fußballer weiterentwickelt. Teil-
weise hatten sie dieselben Trainer und Trainings-
(4
h Mannschaftsspiel/-training, 5 h individuelle Trai-
nings-/Spielformen, 9 h „Straßenfußball“).
Die Daten zur weiteren Differenzierung der Fußballpra-
xis in Abbildung 1, die wir im ‘Journal of Sports Sciences’
veröffentlicht haben, stammen aus Europa (u.a. Schwe-
den, Frankreich, Portugal) und Afrika.
Die Abbildung zeigt die durchschnittliche Stundenanzahl
pro Jahr hinsichtlich drei unterschiedlicher Typen der
Fußballaktivitäten der Spieler: Wettkampf, Training,
Straßenfußball“. (Vereins-)Fußball ist biografisch gese-
hen insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass die Spieler
früh beginnen, eine Vereinskarriere beginnt etwa mit
sechs Jahren. Den größten Umfang nehmen aber
zunächst die Straßenfußballaktivitäten ein. Im weiteren
Karriereverlauf liegt der Fokus dann zunehmend auf
dem Training im Verein, das etwa ab dem Alter von 10
Jahren die größte Rolle spielt.
Interessanterweise unterscheiden sich diesbezüglich die
Daten von Nachwuchs-Spitzenspielern aus Brasilien. Im
brasilianischen Nachwuchsfußball spielt der „Straßen-
fußball“ im weitesten Sinne in jungen Jahren eine auf-
fällig größere Rolle, insbesondere unter Berücksichti-
gung des zusätzlichen Engagements im dort populären
Futsal. Dagegen spielt systematisches Training erst ab
dem Alter von 12 Jahren die bedeutendste Rolle.
Vereine wollen einen 22-Jährigen mit der Spielintelligenz eines 28-
Jährigen. Wie können diese Fähigkeiten schneller entwickelt werden?
ABB. 1
DEVELOPMENTAL ACTIVITIES OF
ELITE SOCCER PLAYERS IN EUROPE
Average hours per Year
Age
700
600
500
400
300
200
100
0
U6 U7 U8 U9 U10
Competition
Practise
Play
U11 U12 U13 U14 U15
Ford et al., Journal of Sports Sciences 2012