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DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
2 0 7
Micro-Co — Mikroanalyse der Team-
koordination zur Prozessoptimierung:
Anwendungsbeispiele und Transfer aus
medizinischen Teams
Ezequiel Fernandez Castelao, Martin Riethmüller,
Margarete Boos (Universität Göttingen)
Einführung und Forschungsfrage
Wir beschäftigen uns mit der Forschungsfrage, inwie-
weit die Interaktion und Kommunikation in einem Team
zur Erreichung gewünschter Resultate beiträgt. Um die-
ser Fragestellung nachzugehen, setzen wir die in der Li-
teratur ausgewiesene theoretisch fundierte Taxonomie
Micro-Co ein. Micro-Co ermöglicht es, Koordinations-
mechanismen im Teamprozess zu erfassen, deren Zu-
sammenhänge zu Input- und Output-Variablen zu unter-
suchen und Trainingsmaßnahmen abzuleiten.
Studienerkenntnisse im Zusammenhang von
Micro-Co
Micro-Co wurde etwa zur Analyse von Interaktionspro-
zessen in medizinischen Reanimationsteams ange-
wandt: 44 studentische Teams wurden bei einer simu-
lierten Herz-Druck-Massage auf Video erfasst und der
Interaktionsprozess nach dem Micro-Co-Schema ko-
diert. Die Ergebnisse zeigen, dass die inhaltliche Qualität
verbaler Aufforderungen seitens der Führungsperson
mit einem reibungsloseren Ablauf der Teamarbeit zu-
sammenhängt. Daraus lässt sich ableiten, dass das rich-
tige Auffordern trainiert werden sollte.
In einer Längsschnittstudie wurde mittels Micro-Co be-
legt, dass studentische Anästhesieteams ihr Koordi-
nationsverhalten an situative Veränderungen anpassen:
In Stresssituationen, in denen eine unerwartete Kompli-
kation auftrat, koordinierten sich die Teams expliziter,
was sich laut Forschung positiv auf die Reduktion von
Fehlern auswirkt. In Routinephasen ohne Zeitdruck und
unerwartete Komplikationen setzten die Teams zuneh-
mend implizite Mechanismen ein. Sie verließen sich da-
bei auf unausgesprochene Annahmen über den Ideal-
ablauf der Interaktion sowie vergangene, gemeinsame
Erfahrungen. Sie waren „eingespielt“ und haben z. B. un-
aufgefordert einem Teammitglied einen benötigten Ge-
genstand gereicht.
Optimierung von Teamprozessen durch
Micro-Co im Fußball?
Ähnlich wie bei medizinischen Teams sind auch die
Koordinationsanforderungen an Fußballteams sehr
komplex. Insbesondere in stressbehafteten und neuarti-
gen Situationen kann die Kommunikation als Vehikel die-
nen, um während des Spiels wirksame Maßnahmen ein-
zuleiten. Mittels Micro-Co können Kommunikation und
Koordination in Spielsituationen erfasst und je nach Fra-
gestellung ausgewertet werden. Die Kodierung beinhal-
tet die inhaltliche Kategorisierung jeder Verbalaussage
und jeder aufgabenrelevanten Spielhandlung aller
Teammitglieder. So sind Prozessmuster identifizierbar,
welche mit Leistungsmerkmalen korreliert werden kön-
nen. Allein vor dem Hintergrund, dass die Kommunika-
tionspsychologie in diversen Feldern (z. B. Medizin, Luft-
fahrt) zur Optimierung von Teamprozessen beitragen
konnte, ist eine mikroanalytische Betrachtung von Fuß-
ballteams höchst interessant.
Wie viel ist ein ausverkauftes Stadion
Fußballfans wert? oder: Die Quantifizie-
rung des crowding-in effect bei Spielen
der Fußballbundesliga
Stefan Chatrath (ehem. FU Berlin)
Einleitung
Viele Dienste, sogar personenbezogene Kollektivdienst-
leistungen, werden durch eine Konsumentengruppe si-
multan in Anspruch genommen, so z.B. auch Spiele der
Fußball-Bundesliga, die im Durchschnitt von 42.000 Zu-
schauern besucht werden.
Die Anwesenheit einer Gruppe von Konsumenten kann
sich laut Forschung – aus Sicht eines einzelnen Konsu-
menten – störend und/oder stimulierend auswirken. Der
Schwerpunkt dieser Arbeit lag in der Analyse der Stimu-
lation. Zwei Forschungsfragen waren daher untersu-
chungsleitend: