Die Einnahme von Schmerzmitteln im Sport hat ein Ausmaß erreicht, dass sich mittlerweile nicht nur
gesundheitliche Fragen aufdrängen. Fest steht, dass die medikamentöse Ausblendung von Schmerzen
bei hohen sportlichen Belastungen nicht nur ggf. leistungserhaltend wirkt, sondern ein hohes Risiko
gesundheitlicher Schädigung birgt – auch im Kontext diagnostischer Defizite. Schmerzmittelmissbrauch
in die Kategorie des Dopings und damit des sportlichen Betrugs einzuordnen, ist allerdings aus
ethischen, rechtlichen und medizinischen Gründen problematisch.
2.
DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
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Das Ausmaß des Schmerzmittelmissbrauchs –
empirische Erkenntnisse
Mir persönlich wurde das Ausmaß der Problematik Ende
der 1990er Jahre erstmals richtig bewusst. Seinerzeit ist
mir in meiner Funktion als Mitglied des sportmedizini-
schen Komitees der FIFA während der U17-Weltmeister-
schaft bei der Sichtung der von den Teamärzten auszu-
füllenden Medikamenten-Formulare für die Dopingprobe
aufgefallen, dass ein ganze Reihe von Nationalteams
vor jedem Spiel oder beinahe jeden Tag mit
Schmerzmittelmissbrauch – ein tabuisiertes
Problem
Der FIFA-Chief-Medical-Officer Prof. Jiri Dvorak hat im
British Journal of Sports Medicine festgehalten, dass
60%
der Fußballspieler bei der WM 2010 in Südafrika
Schmerzmittel nahmen, 39% vor jedem Spiel! Es verwun-
dert angesichts dieser Größenordnung des Schmerzmit-
telgebrauchs – oder besser -missbrauchs – auch im Fuß-
ball, dass dies in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen
wird. Es scheint vielmehr ein großes Tabu zu sein. Aller-
dings ist innerhalb der WADA durchaus eine Diskussion
darüber entstanden, ob Schmerzmittel in Zukunft unter
die Dopingmittel gefasst werden sollen. Eine solche Ent-
scheidung ist allerdings problematisch, wie die folgenden
Ausführungen zeigen werden.
In den USA gilt die Einnahme der „Painkiller“ jedenfalls
insbesondere in der National Football League (NFL) als
größtes Drogendilemma des Profisports. Der Missbrauch
ist auch darin begründet, dass Teamärzte unter dem
Druck stehen, die Athleten entweder nach Verletzungen
möglichst schnell wieder fit zu machen oder sogar trotz
Verletzungen oder gesundheitlicher Probleme soweit fit
zu halten, dass sie im Wettkampf eingesetzt werden
können. Das Motto heißt nicht nur „Return to Play“, son-
dern auch „Stay to Play“. Hiervon hängt u.U. die weitere
Berufsausübung von beiden ab – Arzt und Athlet.
Die Daten unterschiedlicher Studien seit 1998 unter-
streichen das hohe Ausmaß des Schmerzmittelge-
brauchs. Diese sind im Wesentlichen mittels Auswertung
von Formularen und Fragebögen erhoben worden, denn
Nachweistests sind bis heute ungenügend. Eine deskrip-
tive epidemiologische Studie liegt leider bisher nicht vor.
Schmerzmittelmissbrauch
Prof. Dr. med. Toni Graf-Baumann, Deutsche Schmerzgesellschaft
60%
der Fußballspieler bei der WM 2010 in Südafrika nahmen
Schmerzmittel, 39% vor jedem Spiel!