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DFB-WISSENSCHAFTSKONGRESS 2013
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Der ‘Fall’ Markus Miller hat gezeigt: Im Umgang mit dem Phänomen
Depression im Spitzensport sind wir einen Schritt weiter gekommen.
Depressionen als Folge einer Gen-Umwelt-
Interaktion
Im Zusammenhang von Depressionen gibt es ein gene-
tisch bedingtes Erkrankungsrisiko. So wurde bei ein-
eiigen Zwillingen in 50% der Fälle eine Krankheitsüber-
einstimmung festgestellt, d.h., beide Geschwister waren
erkrankt. Und das hat auch Auswirkungen. Wir haben
herausgefunden, dass die Passage von Medikamenten in
das Hirngewebe genetisch bestimmt ist. D.h. wenn ein
Antidepressivum gegeben wird, lässt sich über die Gene-
tik bestimmen, ob das Medikament in ausreichender
Menge eintritt. Damit lässt sich auch vorhersagen, ob
das Medikament wirken wird. Wir können also heute
schon mithilfe von Gentests wichtige klinische Informa-
tionen für die Behandlung unserer Patienten gewinnen.
Natürlich begründet nicht allein die Genetik eine Erkran-
kung, neben entsprechenden Veranlagungen können
hierfür auch äußere Bedingungen und Einflussfaktoren
wie das Alter eine Rolle spielen. Unter Umständen ist
eine Erkrankung schon vor der Geburt vorgezeichnet.
Bemerkenswert ist jedenfalls, dass schwere Traumata
bleibende Veränderungen der Genregulation hervorru-
fen, es zu einer Gen-Umwelt-Interaktion kommt. Ursache
können Plazentastörungen, frühkindliche Misshandlun-
gen, schwere Erkrankungen, Unterernährung, Vergewal-
tigung, Kriegserfahrungen, Gefangenschaft, Zeugnis
von Katastrophen, Terroranschläge etc. sein. Wir benöti-
gen daher neben der genetischen Information auch eine
biologische Momentaufnahme.
werden, in schweren Fällen sind unbedingt auch Antide-
pressiva einzunehmen. Diese sind nicht optimal, haben
Nebenwirkungen, wirken nicht schnell genug und nicht
bei jedem. Nur bei 70% der Erkrankten ist nach 6 bis 8
Wochen ein weitgehendes Abklingen der Symptomatik
zu verzeichnen. Damit sind sie aber nicht schlechter ge-
eignet als Antihypertensiva bei Bluthochdruck und Ant-
idiabetika bei Diabetes. Das ist schon ein Riesenfort-
schritt angesichts der Zustände in den „Irrenanstalten“
im 19. Jahrhundert. Dort wurden Menschen in Bäder ge-
setzt und mit Kübeln kalten und warmen Wassers über-
gossen. Oder man hat sie in eine Zentrifuge gesetzt, um
die Depression „auszutreiben“.
Burnout – eine eigenständige Krankheit?
Es hat zuletzt viele prominente Burnout-Fälle gegeben. In
den Medien war bereits die Rede vom „Volk der Erschöpf-
ten“. Interessanterweise handelt es sich trotz des anglo-
philen Begriffs um eine total unbekannte Diagnose außer-
halb des deutschsprachigen Raumes. Und ein Burnout ist
in der Tat nicht von einer Depression strikt abzugrenzen,
sondern ggf. als Vorstufe zu definieren – allerdings im
speziellen Kontext berufsbedingter Überforderungen. Es
handelt sich um ein arbeitspsychologisches Konstrukt:
Emotionale Erschöpfung, Depersonalisation/Zynismus
und eine verminderte subjektive Leistungsbewertung
werden als Symptome einer chronischen Überlastung und
von Stress bei der Arbeit ausgewiesen. Unabhängig der
Stimmigkeit der kontrovers diskutierten Krankheitsdefi-
nition ist der Übergang zur Depression im Sinne einer kli-
nischen Diagnose erkennbar. Diese wird eben oft, wenn
auch nicht immer, durch Stressoren ausgelöst.