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quenzen, sondern auch als massiver Risikofaktor für Dia-
betes, Demenzen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. So
ist im Fall einer Depression nach einem Herzinfarkt das
Risiko eines erneuten Infarktes innerhalb eines halben
Jahres um den Faktor 3,7 größer als ohne Depression.
Die Depression ist ein unabhängiger Risikofaktor für alle
kardiovaskulären Erkrankungen, im Rang vergleichbar
mit erhöhten Fetten, Diabetes und einem erhöhten Blut-
druck. Charakteristika der Depression sind:
•
extrem traurige Stimmungen
•
Denkstörungen
•
Antriebslosigkeit
•
Schlafstörungen
•
Angst
•
Hoffnungslosigkeit
•
Schuldwahn, Versündigungswahn
•
Suizidgedanken (Nihilismus)
All dies wird zwecks Diagnose strukturiert abgefragt.
Und wenn ein neues Diagnoseschema entwickelt wird,
variieren die Fragen etwas und das Ergebnis ist am
Ende, wie angedeutet, dass noch mehr Depressionen
diagnostiziert werden. Ich erlaube mir den Zynismus,
weil durch eine „künstliche“ Aufblähung der Zahlen das
Problem trivialisiert wird und Diejenigen, die wirklich
schwer erkrankt sind, keine angemessene Beachtung
mehr finden, nicht ernst genommen werden. Dabei ist
eine wirkliche Depression eine schlimme Erkrankung. In
diesem Zusammenhang ist zu bedauern, dass folgende
Laboruntersuchungen noch keinen adäquaten Eingang
in die Diagnostik gefunden haben:
•
Hormonuntersuchung
•
Schlaflabor
•
Bildgebende Verfahren, „Kernspin“
•
Metabolitenprofile
•
Proteinbiomarker
•
Genaktivitätsmessungen (mRNA)
•
Genvarianten
Die Dramatik der Depression liegt auch darin, dass es ei-
ne potenziell tödliche Erkrankung ist. Von den 33.312 To-
desfällen durch äußere Ursachen 2010 waren 10.221 Fäl-
le auf Suizid zurückzuführen, ohne Berücksichtigung der
aus sozialen und finanziellen Gründen (Versicherungs-
fragen) verschleierten Dunkelziffer. Experten gehen
eher von bis zu 16.000 Suizidfällen aus, also annähernd
50%
der Todesfälle. Das sollte durch eine Aufblähung
der Prävalenzzahlen nicht trivialisiert werden.
Depressionen können mit Psychotherapien behandelt
Depression ein Terrain für Angst und Spott ist und psy-
chiatrische Behandlungen nach wie vor mit Stigmatisie-
rungen und sogar Anfeindungen einhergehen können.
Dies alles sind Barrieren für einen offenen Umgang und
eine angemessene Betreuung – nicht zuletzt im Profifuß-
ball. Die Therapie einer Depression ist nicht im gleichen
Sinne „normal“ wie beispielsweise die Behandlung einer
orthopädischen Erkrankung.
Ursachen, Symptomatik, Risiken und
Behandlung
Ein Problem bei Depressionen ist auch, dass es keine ob-
jektiven Indikatoren für eindeutige Diagnosen gibt. Eine
Diagnose ist am Ende immer eine relative Einschätzung
bzw. Bewertung einer Symptomatik. Die alle 15 Jahre
neu aufgelegten Diagnostikmanuale führen z.B. erfah-
rungsgemäß zu einer explosionsartigen Zunahme an
Erkrankungsdiagnosen. In einer etwas konservativeren
Betrachtung kommt man bei der Depression auf eine
Lebenszeit-Prävalenz von 12%, d.h., so hoch ist das Risi-
ko des Einzelnen, einmal im Leben an einer Depression
zu erkranken. Dabei ist das Risiko bei den Männern ein
bisschen geringer, was aber auch damit zusammen-
hängt, dass Männer bei der Kommunizierung ihrer Pro-
bleme zurückhaltender sind. Stratifiziert man dies nach
der Schwere der Erkrankung, gibt es diese Differenz
nicht, und auch bei der bipolaren Erkrankung, bei der
sich manische und depressive Phasen abwechseln, ist
das Verhältnis zwischen den Geschlechtern absolut aus-
gewogen. Das Risiko des Einzelnen infolge einer Depres-
sion manisch zu werden besitzt einen Konversionsfaktor
von 1,25%. Das heißt, wenn ein unipolar depressiver
Mensch lange genug lebt, wird er irgendwann einmal
bipolar depressiv, so dass es letztlich auf eine 1:1-Vertei-
lung hinausläuft. Dass Frauen eine deutlich höhere
Gefährdung besitzen, ist also ein Mythos.
Zu der rapiden Zunahme psychischer Erkrankungen gibt
es eine Reihe – auch unsachgemäßer – Thesen. Bedeu-
tend scheinen mir Schlafstörungen zu sein, u.a. einher-
gehend mit Fehlernährung, Substanzmissbrauch oder
Bewegungsmangel. Auch eine soziale Isolation, hochge-
steckte Ansprüche und soziale Spannungen (Neid, Mob-
bing) sind psychisch belastend. Unter dem Strich bin ich
aber der Meinung, dass psychische Erkrankungen nicht
zugenommen haben, hierfür gibt es auch keine epide-
miologischen Beweise. Dies erscheint nur so, weil es
heute besser wahrgenommen und im Kontext einer Ent-
tabuisierung offener thematisiert und dadurch auch
häufiger diagnostiziert wird.
Bedeutend sind Depressionen nicht nur bezüglich des
damit verbunden Leids und der unmittelbaren Konse-