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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 3 / 2 0 1 4
Brych selbst erklärt das so: „Ich
versuche, mich im Leben nicht mit
zu vielen verschiedenen Dingen zu
verzetteln. Sondern wenn ich
etwas mache, dann mache ich es
zu 100 Prozent.“
Und weil sich der Münchener zu
100
Prozent für das Schiedsrichter-
Wesen entschieden hat, nimmt er
dafür freiwillig manche private
und berufliche Entbehrung in Kauf.
„
Die Schiedsrichter-Tätigkeit
beschränkt sich schließlich nicht
nur auf die Einsätze am Wochen-
ende – sondern man muss auch
zwischen den Spielen genügend
Zeiträume schaffen für Training und
Regeneration“, erklärt Felix Brych.
Vor fast zwei Jahren, nach den
Olympischen Spielen, habe er die
Weltmeisterschaft ins Visier
genommen. Seitdem sei der
Wunsch nach der Teilnahme stetig
gewachsen: „Der Weg von der Vor-
selektierung bis zur endgültigen
Nominierung war gefühlt ewig
lang. Um dieses Ziel zu erreichen,
waren viel Fleiß, Arbeit und
manchmal auch etwas Glück not-
wendig.“
Und wie nahe Erfolg und Misser-
folg für Schiedsrichter beiein-
anderliegen können, diese Erfah-
rung musste Brych im Herbst 2013
machen. Denn am 18. Oktober
drohte sein WM-Traum zu platzen.
Beim Bundesliga-Spiel zwischen
Hoffenheim und Leverkusen über-
sahen Brych und seine Assistenten
ein Loch im Tornetz. Jenes Loch,
das zum viel diskutierten „Phan-
tomtor“ von Stefan Kießling führte
und über das in den Medien
berichtet wurde. Weltweit. Über ein
Tor, das wohl auf ewig mit dem
Namen Felix Brych verknüpft blei-
ben wird.
Einfach ein „blödes Tor“, wie der
Unparteiische ein halbes Jahr spä-
ter sagt. Sogar „peinlich“ sei es
ihm gewesen, dass er dieses Tor
gegeben habe. Aber es war eine
Tatsachen-Entscheidung, die der
Schiedsrichter in diesem Moment
getroffen hatte. Eine Entschei-
dung, die er im Nachhinein nicht
mehr korrigieren konnte. Und so
blieb Felix Brych nichts anderes
übrig, als nach dem Spiel offen mit
seinem Fehler umzugehen.
Dass ein solches Missgeschick
einen Schiedsrichter jedoch nicht
seine Karriere kosten darf, das
zeigte die FIFA, indem sie Felix
Brych trotz des Fehlers für die WM
nominierte.
Die Assistenten
als Berater
Mark Borsch und Stefan Lupp
unterstützen Felix Brych in Brasi-
lien als Schiedsrichter-Assisten-
ten. Im Interview sprechen die
beiden über ihre Rolle im Team.
Was sind eure persönlichen Auf-
gaben bei den gemeinsamen
Spielleitungen?
Mark Borsch:
Wir geben Felix
fachliche und menschliche Unter-
stützung auf und neben dem
Platz. Der Schiedsrichter muss
sich auf das Wesentliche konzen-
trieren können – und das ist die
Spielleitung. Wir halten ihm den
Rücken frei und kümmern uns
um das Administrative, die Reise-
planung, die Vorbereitung des
Headsets, die Trikotwahl und wei-
tere Aufgaben.
Stefan Lupp:
Auch während der
90
Minuten des Spiels überneh-
men wir die Rolle eines Beraters
für den Schiedsrichter. Dazu arbei-
ten wir während der 90 Minuten
hoch konzentriert mit. Eine wei-
tere, nicht zu unterschätzende
Aufgabe des Assistenten ist es
außerdem auch, die Stimmung
im Team hochzuhalten, damit
alle drei auch am nächsten
Wochenende wieder „Bock drauf
haben“, gemeinsam zum Spiel
zu fahren.
Seit wann assistiert ihr an der
Seite von Felix?
Borsch:
Ich kam im Jahr 2008 als
Assistent auf die FIFA-Liste, seit-
dem bin ich international bei
Felix im Team. Unser erstes Spiel
war damals Liverpool gegen
Eindhoven in der Champions
League. In der Bundesliga sind
wir nun seit drei Jahren gemein-
sam unterwegs.
Lupp:
Das Spiel Nikosia gegen
Madrid war mein erstes Cham-
pions-League-Spiel mit Felix. Vor-
her waren wir zweimal zusam-
men in der Bundesliga im Ein-
satz. Richtig gut kennengelernt
und als Team zusammengewach-
sen sind wir dann bei den Olym-
pischen Spielen 2012 in London.
Was sind die Stärken eures
„
Chefs“?
Borsch:
Definitiv sein Laufvermö-
gen und die Kommunikation mit
den Spielern auf dem Platz.
Lupp:
Er ist mental unheimlich
stark und kann sich auf den
Punkt fokussieren.
Wie arbeitet ihr als Team außer-
halb der Spieltage zusammen?
Borsch:
Wir zeichnen jedes Spiel
auf und arbeiten insbesondere
solche Szenen auf, die nicht vom
Beobachter angesprochen wer-
den. Mit ein paar Tagen Abstand
zum Spiel telefonieren wir unter-
einander und besprechen die
wichtigen Dinge für die nächste
Spielleitung.
Lupp:
Es ist auch wichtig, infor-
miert darüber zu sein, was sonst
so im deutschen und europä-
ischen Fußball passiert. Daher
schauen wir uns auch andere
Spiele an. Das Angebot im Fern-
sehen ist heutzutage schließlich
enorm.
Im Gespräch mit Mark Borsch und Stefan Lupp
Mark Borsch kam ein Jahr
nach Felix Brych auf die
FIFA-Liste.
Stefan Lupp ist mit 35 Jahren der Jüngste im Team.
Völlig zu Recht, wie auch Herbert
Fandel feststellt: „Eine solche Situa-
tion hat mit der Qualität eines
Schiedsrichters überhaupt nichts
zu tun.“ Wenn ein Stürmer einmal
am leeren Tor vorbeischießt,
werde dieser ja auch nicht gleich
von einem Turnier ausgeladen.
Statt sich von den medialen Wellen
verunsichern zu lassen, knüpfte
Felix Brych schon vier Tage später
wieder an seine vorherigen Top-
Leistungen an, brachte den Klassi-
ker zwischen dem AC Milan und
dem FC Barcelona in der Cham-
pions League souverän und
geräuschlos über die Bühne.
In der WM-Qualifikation übernahm
er mit seinem Team zugleich die
besonders brisanten Aufgaben,