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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 1 / 2 0 1 4
jeden Moment damit rechnen, dass
er voll gefordert wird.
In der 80. Minute ist es soweit.
Beim Stand von 0:0 wird der Glad-
bacher Havard Nordtveit in zen-
traler Position, rund zwölf Meter
vor dem Dortmunder Tor, ange-
spielt. Er hat nur noch Dortmunds
Torwart Weidenfeller vor sich. Als
er den Ball mit links aufs Tor
schießen will, versucht der Dort-
munder Mats Hummels, ihn mit
einer Grätsche von schräg hinten
am Torschuss zu hindern. Er trifft
aber nicht den Ball, sondern bringt
Nordtveit heftig zu Fall
(
Foto 6a).
Manuel Gräfe hat dank seines sehr
guten Stellungsspiels freie Sicht
auf die Situation
(
Foto 6b)
und
entscheidet sofort und zu Recht
auf Strafstoß.
Bevor der Schiedsrichter die Per-
sönliche Strafe für Hummels
anzeigt, nimmt er sich einen
Augenblick Zeit und lässt die Foul-
Situation noch einmal vor seinem
geistigen Auge ablaufen. Denn
auch das gehört zum Handwerk
des guten Schiedsrichters: Brisante
Szenen sofort nochmal parat zu
haben und sich einen Moment
Ruhe zu nehmen. Ohne sich von
der Hektik der Spieler und des
übrigen Umfelds anstecken zu las-
sen, fällt Manuel Gräfe seine Ent-
scheidung: „Rot“ für Hummels,
denn der Dortmunder hat mit sei-
ner Aktion eine klare Torchance
verhindert. Kein anderer Dortmun-
der Spieler hätte den Torschuss
von Nordtveit noch verhindern
können.
Dass Hummels, ohne jeden Ver-
such den Schiedsrichter umzu-
stimmen, den Platz verließ, trug
auch zum fast selbstverständ-
lichen Ablauf einer Szene bei, die
mit ihren Folgen (Strafstoß in der
80.
Minute, der zum 1:0 führte, und
„
Rot“ für einen Abwehrspieler)
großes Brisanz-Potenzial in sich
trug.
Mehr zur Problematik der „Not-
bremse“ in dieser Ausgabe auf
Seite 24.
***
In der Partie der 3. Liga zwischen
dem MSV Duisburg und der Spiel-
vereinigung Unterhaching
(18.
Spieltag)
spielte sich eine
Szene ab, in der sich der Schieds-
richter ebenso vorbildlich verhielt
wie Manuel Gräfe, allerdings in
einem anderen Zusammenhang.
Als Ergebnis eines Zweikampfs
nahe der Mittellinie wird der Ball
Richtung Duisburger Tor gespielt
(
Foto 7a).
Als ihm der im Abseits
stehende Unterhachinger Stein-
herr nachsetzt, hebt der Assistent
von Schiedsrichter Robert Schrö-
der die Fahne. Der Schiedsrichter
pfeift nicht, sondern ruft: „Weiter-
spielen!“ und unterstützt das
optisch, indem er mit dem rechten
Arm ein entsprechendes Zeichen
gibt
(
Foto 7b).
Dabei sprintet er
hinter Steinherr her, womit er
auch deutlich macht, dass der
Assistent die Fahne herunterneh-
men soll. Der Unterhachinger
schießt den Ball letztlich knapp
am Tor vorbei.
Hektisch hat der Duisburger Trai-
ner Karsten Baumann an der Sei-
tenlinie die Situation verfolgt und
ist nun einerseits erleichtert, dass
kein Tor gefallen ist, andererseits
aber auch empört, dass der
Schiedsrichter nicht gepfiffen hat.
Er macht seinem Unmut Luft.
Die Auflösung: Der Trainer war
derselben optischen Täuschung
unterlegen wie der Assistent (und
mit ihnen wohl fast alle Zuschau-
er). Der Ball war nämlich nicht von
einem Unterhachinger Spieler zu
Steinherr gespielt worden, son-
dern vom Duisburger Wolze
(
Foto
7
c).
Der hatte zwar den Zwei-
kampf gewonnen, aber zugleich
mit seiner versehentlichen Vorlage
den Unterhachingern eine große
Torchance eröffnet.
Schiedsrichter Schröder hatte –
wie
Foto 7a
zeigt – eine sehr gute
Position zu dem Zweikampf, so-
dass er erkennen konnte, dass der
Duisburger den Ball spielte. Als
der Ball aus dem Spiel war, beru-
higte er den Trainer der Unterha-
chinger und erklärte ihm den
Ablauf des Geschehens
(
Foto 7d).
Nachahmenswert!
Wer spielt den Ball? Der Schiedsrichter kann es erkennen…
…
und signalisiert dem Assistenten, die Fahne herunterzuneh-
men.
Hier wird es deutlich: Der Duisburger spielt den Ball.
Schiedsrichter Robert Schröder erläutert dem Duisburger
Trainer kurz den Ablauf.
Foto 7a
Foto 7b
Foto 7c
Foto 7d