30
S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 3
Porträt
Florian Meyer und sein Team haben
ordentlich zu tun, viele intensive
Zweikampfszenen im Mittelfeld
prägen die Begegnung. Dann ist
Halbzeit. Sabine Rohleder fragt in
der Kabine nach, ob jemand aus
dem Team irgendetwas braucht.
„
Der Fall von Volker Wezel hat ja
gezeigt, dass auch in 45 Minuten
noch eine ganze Menge passieren
kann.“ Heute ist aber glücklicher-
weise alles in Ordnung, und Sabine
Rohleder kann ihren Platz zur zwei-
ten Halbzeit ohne Zwischenbe-
handlung wieder einnehmen.
Dass dieser weitere Schritt zur
Professionalisierung des Schieds-
richter-Wesens in der höchsten
Liga Deutschlands eingeführt
wurde, hat die Physiotherapeutin
wenig überrascht. „Letztlich ist es
nur logisch und konsequent“,
meint sie. „Die Spielgeschwindig-
keit hat sich im Vergleich mit dem
Bundesliga-Fußball der 90er-Jahre
dermaßen erhöht, dass auch die
Ansprüche an die Spielleiter
extrem gestiegen sind.“
Mit den Patienten in ihrer Kölner
Praxis spricht sie ebenfalls über
ihren Nebenjob. Hierbei erklärt sie
oft, dass sie die Schiedsrichter als
eine Art 19. Mannschaft der Bundes-
liga betrachtet. „Alle anderen 18
Teams haben auch eine eigene
physiotherapeutische Abteilung“,
sagt Sabine Rohleder, „führt man
sich vor Augen, dass die Schieds-
richter im Vergleich mehr Kilome-
ter im Spiel zurücklegen als die
meisten Spieler, wäre es ja gerade-
zu fahrlässig, auf diese Unterstüt-
zung zu verzichten.“ Inzwischen
kommen auch einige Schiedsrich-
ter aus der 3. Liga oder der Regio-
nalliga häufiger bei ihr in der Pra-
xis vorbei. „Die wissen natürlich zu
schätzen, dass ich mittlerweile
einen ganz guten Überblick über
die Eigenheiten des Schiedsrich-
ter-Wesens habe.“
Seitdem die Physiotherapeutin mit
den Schiedsrichtern arbeitet, sagt
sie, sieht sie Fußballspiele mit völlig
anderen Augen. „Natürlich guckt
man immer noch darauf, wo gerade
etwas Brenzliges passiert, aber spä-
testens der zweite Blick geht mitt-
lerweile automatisch zum Schieds-
richter. Auch wenn man zu Hause
am Fernseher sitzt, versucht man,
den Schiedsrichter anhand seines
Laufstils zu erkennen – und freut
sich natürlich, wenn man ein
bekanntes Gesicht sieht.“
Während für das Schiedsrichter-
Team nach dem Spiel die Analyse
mit dem Coach beginnt, macht sich
Sabine Rohleder bereit für die
Cool-Down-Phase. Für die Schieds-
richter und die Assistenten heißt
es dann: Auslaufen, Dehnen, Mas-
sage. Die Physiotherapeutin fragt
bei jedem noch einmal nach, ob es
irgendwo zwickt. Die nächsten Ein-
sätze sind schließlich nicht weit
entfernt.
Dabei ist die Nachbereitung auch
immer von der Stimmung abhän-
gig. Sabine Rohleder weiß: „Wenn
das Spiel für das Schiedsrichter-
Team gut gelaufen ist, ist die
Atmosphäre lockerer. Man plau-
dert, ist entspannter – das macht
es sowohl für den Therapeuten als
auch für die Schiedsrichter deut-
lich angenehmer.“
Dies gilt es dann auch in der
Behandlung zu berücksichtigen.
Täte sie das nicht, erklärt Sabine
Rohleder, wäre sie schließlich eine
schlechte Therapeutin. „Genauso
frage ich die Patienten in meiner
Praxis ja auch immer, wie es ihnen
geht. Man kann eine Behandlung
nicht einfach abspulen, sondern
muss diese auch an der aktuellen
Verfassung seines Gegenübers
ausrichten – bei Schiedsrichtern
ist das selbstverständlich nicht
anders.“
In Mönchengladbach ist die Stim-
mung gut. Für das Schiedsrichter-
Team war es eine knifflige Partie,
die gut über die Bühne gebracht
wurde. Die Spannung fällt ab und
der Plausch nach dem Spiel etwas
länger aus. Man hat gut harmo-
niert und freut sich auf ein Wieder-
sehen. Florian Meyer ist zufrieden:
„
Sabine hat einfach eine sympathi-
sche, gewissenhafte und kompe-
tente Art und schafft damit bei
den Behandlungen immer eine
positive Atmosphäre aus Konzen-
tration, Anspannung und Locker-
heit – es macht Spaß, mit ihr
zusammenzuarbeiten.“
Im Borussia-Park gehen derweil
die Lichter aus. Zum Saisonfinale,
gegen den FC Bayern München, ist
Sabine Rohleder noch einmal vor
Ort. In der nächsten Saison geht es
dann weiter. Sie packt ihren Ruck-
sack und fährt zurück nach Köln.
Bis zum nächsten Mal.
■
Ein bundesweites
Netzwerk
Als das Team der Physiothera-
peuten vor einem Jahr
zusammengestellt wurde, war
Christel Arbini (Foto) die Ver-
antwortliche dafür: „Wichtige
Kriterien waren zum einen die
Qualifikation – fast alle Physios
sind DOSB-Sportphysiothera-
peuten – aber auch die Wohn-
nähe zu den Bundesliga-Städ-
ten“, sagt Arbini. Die Wohnnähe
sei wichtig, da die Bundesliga-
Schiedsrichter auch die soge-
nannte Rufbereitschaft in
Anspruch nehmen können.
„
Das heißt, dass die Physios
dann schon am Tag vor dem
Spiel zur Behandlung ins Hotel
gerufen werden.“ In manchen
Städten teilen sich die Thera-
peuten die Arbeit untereinan-
der auf, normalerweise ist aber
immer der gleiche Physio in
jedem Stadion im Einsatz.
Als Dankeschön für ihre Arbeit hat die Physiotherapeutin von
einem ihrer Patienten ein Trikot erhalten, auf dem viele
Schiedsrichter unterschrieben haben.
Christel Arbini betreut die
Spitzen-Schiedsrichter
seit 17 Jahren bei ihren
Lehrgängen.
Christel Arbini
koordiniert die Physios