Blick in die Presse
Meldungen aus dem Basis-Bereich
des Fußballs drehen sich sehr oft
um Spielabbrüche oder andere
unangenehme Vorfälle. Dabei gibt
es auch andere Geschehnisse, die
durchaus meldenswert sind.
Fair Play im Saisonfinale der Fuß-
ball-Kreisliga: Spieler haben den
Schiedsrichter bei einem Straf-
stoßpfiff darauf aufmerksam
gemacht, dass das von ihm geahn-
dete Foul vor dem Sechzehner
passierte.
Die Partie zwischen dem SV Sta-
densen und SV Eddelstorf (1:3)
stand zu diesem Zeitpunkt noch
0:0
unentschieden. Der Unpartei-
ische korrigierte seine Entschei-
dung.
38.
Spielminute: Am Rande des
Stadenser Strafraums sind Platz-
herren-Spieler Christopher Müller
und der Eddelstorfer Marcel Kahl-
mann in einen Zweikampf verwi-
ckelt, in dem Müller seinen Kontra-
henten foult. Der gut leitende
Schiedsrichter Heinz-Dieter Ernst
aus Rätzlingen entscheidet auf
Strafstoß. Die Stadenser Hinter-
mannschaft um Müller moniert
sofort, dass die Attacke gegen den
Eddelstorfer Spieler knapp vor der
Strafraumgrenze passiert sei, es
also nur Freistoß geben darf.
Schützenhilfe bekommen die Sta-
denser von Gäste-Kapitän Stephan
Schenk, der unmittelbar neben den
beiden Hauptbeteiligten stand und
die Szene beobachtet hat. Weitere
Eddelstorfer Spieler wie Sören
Meyer und Jan-Hinrich Grunwald
erklären ebenfalls ohne zu zögern,
dass auch ihrer Meinung nach das
Foul „hauchdünn“ vor der Markie-
rung passiert ist. Die Blau-Gelben
wollen auf den Elfmeter verzichten
und stattdessen einen aus ihrer
Sicht korrekten Freistoß ausführen.
Das Schiedsrichter-Gespann
befragt noch ein paar weitere
Spieler, dann entscheidet der
Unparteiische tatsächlich auf Frei-
stoß, der letztlich für den SVE
nichts einbringt. „Die Spieler und
der Schiri aber haben viel Applaus
und Anerkennung für diese Sport-
lichkeit geerntet“, sagt Stadensens
Team-Manager Timo Eichstädt.
Matthias Kaufhold
schlägt mit
Blick auf die Erwartungen an einen
Schiedsrichter einen Bogen vom
EM-Finale zur Bezirksliga.
Kennen Sie Senhor Proenca? Nein?
Nie gehört? Dann hat jener honorige
Herr aus Portugal ja alles richtig
gemacht. Pedro Proenca leitete
das Finale bei der Europameister-
schaft. Von ihm war nach dem
Spiel nicht mehr die Rede. Und das
ist das größte Kompliment, das ein
Schiedsrichter bekommen kann.
Unaufgeregt, entscheidungssicher,
konziliant, mit Fingerspitzengefühl
und ohne Hang zur großen Geste.
So sollten sich Schiedsrichter auf
dem Fußballplatz verhalten.
Das gilt im Übrigen auch zwischen
Verbands- und Kreisliga, was Ralf
Brombacher, der Chef der Regel-
wächter vom Hochrhein, am Ende
der Jahresversammlung in Bad
Säckingen zu Recht betont hat.
Schiedsrichter sind nicht das Wich-
tigste im Fußball, aber eben doch
unverzichtbar. Weder selbstherrli-
che Halbgötter mit pfeiftönender
Sanktionsfreude, noch getriebene
Sklaven einer rasenden Menge aus
uneinsichtigen Spielern, dauernör-
gelnden Trainern und fanatisierten
Zuschauern. Das sollten sich alle
Besserwisser hinter die Ohren
schreiben und beim nächsten Mal
ihre Klappe halten, wenn ein
Abseitspfiff jäh den aussichtsrei-
chen Konter stoppt. Zur Erinne-
rung: Ein Schiedsrichter muss
unterhalb der Landesliga ohne
Assistenten auskommen. Und
wenn der Kick mal wieder auf
achtklassigem Niveau (Bezirks-
liga!) dahinvegetiert, ist es unan-
ständig, eine Spielleitung einzufor-
dern, die über alle Zweifel erstklas-
sig ist.
Thomas Stillbauer
macht sich
anhand der TV-Übertragungen
während der EM Gedanken über
den Sprachschatz von Fußball-
Profis.
Im internationalen Sport herrscht
babylonische Sprachverwirrung,
möchte man meinen. Besonders
dann, wenn es um die diffizile Aus-
legung der Fußballspielregeln geht.
Die EM beweist jedoch das Gegen-
teil: Zwei Wörter reichen dem
modernen Fußballprofi zur Ver-
ständigung.
Wer genau hinsieht in den Spiel-
unterbrechungen, erkennt die
Sprache des modernen Fußballpro-
fis. Sie lässt sich von den Lippen
ablesen und setzt sich aus zwei
Begriffen zusammen: „Hey!“ und
„
What!“ Wir wollen sie gemeinsam
analysieren.
„
Hey!“ sagt/ruft/brüllt der Spieler
heutzutage grundsätzlich in jeder
Situation. Es bedeutet etwa: „Gib
mir den Ball!“, aber auch: „Warum
hast du mir den Ball nicht gege-
ben, du Hannebambel?“ Je nach
Gesichtsausdruck kann es heißen:
„
Komm’ nie wieder auf die Idee,
dich in unserem Strafraum fallen
zu lassen, sonst müssen mein Bru-
der und seine noch bunter täto-
wierten Freunde dir ganz arg weh-
tun“ beziehungsweise: „Herr
Schiedsrichter, das war ein Foul
und es schmerzt sooo sehr – der
da drüben muss dafür mindestens
die Rote Karte bekommen!“
Zum „Hey“ gehört die passende
Gestik. Habe ich gerade den Ball
über die Seitenauslinie gedro-
schen, hebe ich gewohnheitsmäßig
den Arm und fordere Einwurf für
meine Mannschaft, um dann, wenn
der Schiri aus abwegigen Gründen
Einwurf für die anderen gibt,
meine kontroverse Auffassung
kundzutun: Arme seitlich weg-
strecken und – „hey!“ Auch zu
empfehlen in besonders strittigen
Fällen von Eckball oder Abstoß
(
also jedes Mal).
„
What!“ kommt immer häufiger
zum Einsatz, wenn mir der
Schiedsrichter ein Vergehen vor-
wirft, das ich natürlich nicht
begangen habe, und ich unsicher
bin: „Woher stammt diese Pfeife
noch mal, aus Ungarn, Wuppertal,
Kasachstan, Frankreich … ach egal,
ich sach ma: What!“ Damit bringe
ich meine schäfchenweiße
Unschuld zum Ausdruck.
Ein Beispiel: Ich habe gerade der
gegnerischen Nummer 9 mit
gestrecktem Bein die Abdrücke
aller Stollen meines Fußballstiefels
in den Solarplexus gestanzt – und
dieser „Unparteiische“ entscheidet
auf Freistoß. „What!“ Übersetzung:
„
War doch nix! Ball gespielt, Mann!
Der Typ da am Boden schauspie-
lert doch!“
Das „What!“ mit konsterniertem
Gesichtsausdruck mehrmals
wiederholen, während die Fernseh-
zuschauer in zwölf Zeitlupen
sehen, wie mein unschuldiger Fuß
den Volksschauspieler zu Boden
rammt. Dann beleidigt weggehen
und spucken, spucken, spucken.
Niemals das Spucken vergessen.
In der abgelaufenen Bundesliga-
Saison wurde das einmal
besonders hübsch vorgeführt, als
ein Spieler nach dem Abpfiff auf
die Fernsehkameras zustampfte
und sich dabei einen dicken Fladen
aufs eigene Trikot speuzte.
Das ist ein anderes Thema. Aber es
passt schön zur EM. Vielleicht
haben Sie’s beim Googeln auch
schon entdeckt: EM heißt: Effektive
Mikroorganismen. Die untersuchen
wir dann beim
nächsten
Mal.
Kicker überzeugen
Schiri: Kein Elfer!
Ideal unauffällig
Ich sach’ ma’:
„
What?“
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