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um einen demokratischen Gerechtigkeitsanspruch zu erfüllen. Die Grenze zwischen Tolerierbarem und
Nicht-Tolerierbarem muss sich an den Gesetzen des Aufnahmelandes orientieren, die durch staatliche
und zivilgesellschaftliches Institutionen immer wieder überprüft werden. Toleranz muss auf
Freiwilligkeit, Wechselseitigkeit und gesetzlichen Rahmenbedingungen beruhen. Weder sollte Toleranz
zu Ignoranz gegenüber kulturellen Unterschieden führen, noch die Diskriminierung von Menschen
begünstigen. Beispielsweise dürfen vor einer durch Kultur, Tradition oder Glauben begründeten
Unterdrückung von Frauen, die mitunter gegenwärtig wird, nicht im Namen der Toleranz die Augen
verschlossenen werden.
Toleranz fördert erfolgreiche Integration, verstanden als ein vielschichtiger und wechselseitiger
Prozess, nicht allein. Toleranz ist ein erster, eher passiver, Anerkennung ein notwendiger, aktiver zwei-
ter Schritt. „Toleranz sollte nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muss zur Anerkennung füh-
ren. Dulden heißt beleidigen“, schrieb bereits Johann Wolfgang von Goethe, einer der Wegbereiter des
interkulturellen Dialogs.
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Anerkennung basiert auf Toleranz, geht aber weiter. Sie erfordert Empathie,
wechselseitigen Respekt und Wertschätzung.
Bedeutung für den Fußball:
Was für das gesellschaftliche Zusammenleben gilt, gilt auch für den Fußball. Angesichts der vielfälti-
gen Hintergründe der Menschen im Fußball sowie der verschiedenen Vereine müssen bisweilen auch
Dinge erduldet werden, obwohl sie der eigenen sozialen, kulturellen oder religiösen Auffassung wider-
sprechen. Zwischenmenschliche wie körperliche Toleranz und Rücksicht zu üben, sind Grund-
bedingungen für das Miteinander im Fußball. Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Herkunft oder
Kultur haben auf und abseits des Rasens nichts verloren. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Sexismus
oder Homophobie dürfen nicht geduldet werden.
Durch Toleranz allein werden weder Vorurteile abgebaut, noch Empathie oder gegenseitiges
Verständnis gefördert. Soziale Integration im Fußball hat anstatt eines Nebeneinanders ein
Miteinander zum Ziel. Im Geist des Fairplay sind alle aufgefordert, Mit- und Gegenspieler/innen nicht
bloß zu tolerieren, sondern sie als gleichberechtigt anzuerkennen. Der gemeinsame Spaß am Sport
und die Interaktion auf und abseits des Spielfeldes bieten die Chance für soziale Anerkennung.
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Goethe, J.W.: Maximen und Reflexionen. Herausgegeben von Helmut
Koopmann. München 2006.
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TOLERANZ
Definition:
Tolerieren leitet sich von dem lateinischen Wort für „erdulden“ ab. Toleranz bezeichnet die Duldung
von Meinungen, Glaubensinhalten oder Handlungsweisen, obwohl diese der eigenen Einstellung wider-
sprechen oder als fremd angesehen werden. Toleranz reicht von passiver Gleichgültigkeit bis zur
aktiven Relativierung der eigenen Auffassung. Sie ist sowohl im privaten wie im politischen Bereich
von großer Bedeutung. Intoleranz bezeichnet dagegen eine Einstellung, die abweichende Welt-
anschauungen oder Handeln nicht zulässt.
Historisch ist der Begriff eng mit religiösen Fragen und dem Umgang mit kulturellen Minderheiten ver-
bunden. Die nicht selbstverständliche Duldung eines fremden Glaubens war zugleich eine
Demonstration der Macht. Durch die Gewährung von Freiheiten für religiöse Minderheiten stellten sich
Herrscher/innen als großzügig und nachsichtig dar. So umwarb der protestantische Preußenkaiser
Friedrich II. Katholik/innen und Jüd/innen mit dem Versprechen, jede/r dürfe „nach seiner Facon selig
werden“. Nichtsdestotrotz geboten auch handfeste politische und wirtschaftliche Interessen diese
Toleranz.
Toleranz wird teilweise durch religiöse Werte begründet und Toleranzgebote finden sich in den
Schriften aller Weltreligionen. Doch gerade die Auseinandersetzung zwischen verschiedenen
Religionsgruppen hat, von der Inquisition bis zu den Balkankriegen, eine theologische Begründung
von Toleranz immer wieder in Frage gestellt. Religionsfreiheit und Toleranz sind geschichtlich gesehen
nicht selbstverständlich, sie mussten immer wieder erkämpft werden.
Neben ethisch-moralischen Begründungen gibt es jedoch auch philosophische Gründe für tolerantes
Handeln. Sie beruhen auf der Einsicht, dass die menschliche Vernunft begrenzt ist und es folglich eine
Wahrheit nicht geben kann. Eine fremde Meinung kann zwar als unwahr empfunden, jedoch an sich
nicht unvernünftig sein.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Angesichts der Vielfalt unserer Gesellschaft ist Toleranz ein unverzichtbarer Bestandteil des
Zusammenlebens. Zu unterschiedlich sind die Lebensentwürfe, kulturellen Gewohnheiten, politischen
und religiösen Auffassungen der Bürger/innen, als dass Widersprüche und Konflikte dauerhaft vermie-
den werden könnten. Innerhalb einer Gesellschaft kann Toleranz zur Bewahrung des sozialen Friedens
dienen. Und doch braucht eine Gesellschaft eine gemeinsame Basis, in Form verbindlicher Gesetze,
gleichberechtigter Teilhabe, konkreter Regeln des Zusammenlebens und geteilter Werte.
Die Forderung nach Toleranz spielt in der Integrationsdebatte eine umstrittene Rolle. In der Diskussion
um Rassismus, „Ehrenmorde“, religiösen Fundamentalismus oder ethnische Konflikte wird Toleranz
mitunter als „politisch korrekter“ Maulkorb missverstanden oder als ein „Zwang zum Wegschauen“
angesehen. „Falsch verstandener“ Toleranz liegt das Missverständnis zu Grunde, dass Toleranz
zwangsläufig etwas „Gutes“ ist und zur Lösung von gesellschaftlichen Konflikten beiträgt. Es scheint
paradox, doch Toleranz kann zu Intoleranz führen. Toleranz ist deshalb eine notwendige, aber keine
hinreichende Bedingung der Demokratie. Toleranz ist ihrerseits auf Grenzen und Regeln angewiesen,