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Ethnozentrismus zu brechen. Vor allem geht es dabei um die interkulturelle Öffnung der Vereine, um
neue Mitglieder und Funktionsträger/innen nicht nur innerhalb des eigenen ethnischen Umfelds zu
gewinnen. Möglichkeiten dafür bieten die Vernetzung und Kooperation mit anderen Einrichtungen
des näheren Umfeldes, wie Schulen, Freizeit- und Jugendclubs oder Initiativen des Quartiers-
managements.
Soziale Integration liefert einen Beitrag zur Gewaltprävention. Zwar lassen sich Konflikte nicht völlig
ausschließen, doch können entsprechend geschulte Trainer/innen ihren Spieler/innen einen konstruk-
tiven Umgang mit Konflikten vermitteln, der gewalttätige Eskalationen nachhaltig verhindert.
Sportliche Rivalität und gegenseitige Anerkennung schließen sich nicht aus, sie bedingen sich unab-
hängig von ethnischer Zugehörigkeit.
Nachdem Neuankömmlinge ihre Position mithilfe der eigenethnischen Gemeinschaft gefestigt hätten,
sei die Möglichkeit für gesellschaftliche Teilhabe und Integration eher gegeben. Ethnische
Gruppenbildung biete zudem die Möglichkeiten, gemeinsame Interessen gegenüber der
Aufnahmegesellschaft einfacher durchzusetzen.
Untersuchungen zeigen aber auch, dass sich ethnische Grenzen durch Migration nicht automatisch
auflösen. Teilweise verfestigen sich ethnische Identitäten erst durch die Gegebenheiten im
Aufnahmeland. Kritiker machen dafür gemeinsame Erfahrungen kultureller Fremdheit, aber auch
Ausgrenzung, verantwortlich. Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit führten zu einem
Rückzug in die ethnische Gruppe.
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Ob ethnische Gruppen Integration fördern oder behindern, ist kaum zu beantworten. Chancen und
Probleme für die Integration sind stark von den jeweiligen gesellschaftlichen Kontexten abhängig.
Grundsätzlich ist ethnische Vielfalt ein fester Bestandteil einer pluralistischen Gesellschaft, die
Unterschiede anerkennt und Identifikation und Teilhabe auch unabhängig von ethnischer
Zugehörigkeit ermöglicht.
Bedeutung für den Fußball:
Ein Beispiel für die Ambivalenz ethnischer Gruppenbildung bei der gesellschaftlichen Integration sind
die ethnischen Vereine in der deutschen Sportlandschaft. Ethnische Vereine sind weder Beleg für eine
mangelnde Integrationsbereitschaft der Menschen mit Migrationshintergrund, noch für eine mangeln-
de Bereitschaft der Mehrheitsgesellschaft zur Integration der Migrant/innen. Viele Spieler/innen ent-
scheiden sich freiwillig und bewusst für ihre Mitgliedschaft im eigenethnischen Verein, andere fühlen
sich aufgrund von Ausgrenzungserfahrungen in anderen Vereinen dazu gedrängt. Für wieder andere
ist die Mitgliedschaft in einem nicht-ethnischen Verein Normalität.
Einerseits scheint Sport, und insbesondere der Fußball, ein denkbar schlechtes Umfeld für gesell-
schaftliche „Abschottung“ zu sein, da wöchentlich Begegnungen mit anderen Gruppen stattfinden.
Andererseits können ethnische Konflikte und Gewalt auch im Fußball auftreten. Der Fußballplatz kann
zu einem symbolischen Austragungsort sozialer Konflikte werden. Erfahrungen verwehrter
Anerkennung und ungleicher Teilhabechancen können bei ihnen zu einer (Rück-)Besinnung auf „eth-
nische Wurzeln“ führen. Sieg oder Niederlage symbolisieren dann ethnische Über- oder
Unterlegenheit. Das Match zweier Kreisligateams kann so zum „Länderspiel“ hochstilisiert werden.
Das Spiel dient dann zur Inszenierung von Identitäten und verfestigt negative Wahrnehmungen und
Vorurteile.
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Der Wirklichkeit kommt daher wohl am nächsten, wer ethnische Sportvereine als zugleich segregie-
rend und integrativ begreift. Untersuchungen haben gezeigt, dass ethnische Zugehörigkeit im
Vereinssport umso unbedeutender wird, je höher der Leistungsanspruch und je jünger das Team ist.
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Entsprechend wichtig ist eine Jugendarbeit, die neben der sportlichen Entwicklung auf interkulturelle
Kompetenzen, Empathie und eine Sensibilisierung für kulturelle Unterschiede setzt. „Deutsche“ wie
ethnische Sportvereine sollten Eigeninitiativen ergreifen, um mit dem teilweise vorherrschenden
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32.
Vgl.: Heckmann, Friedrich (1992): Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Soziologie inter-ethnischer
Beziehungen. Stuttgart; Bade, Klaus J. (Hrsg.) (1996): Migration - Ethnizität - Konflikt : Systemfragen und
Fallstudien. Osnabrück; Neckel, Sighard; Soeffner, Hans-Georg (2008): Mittendrin im Abseits. Ethnische
Gruppenbeziehungen im lokalen Kontext. Wiesbaden.
33.
Vgl.: Stahl, Silvester (2009): Selbstorganisation von Migranten im deutschen Vereinssport. Köln.
34.
Vgl.: Kalter, Frank (2003): Chancen, Fouls und Abseitsfallen. Migranten im deutschen Ligenfußball.
Wiesbaden.