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EMPATHIE (EINFÜHLUNGSVERMÖGEN)
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Empathie (Einfühlungsvermögen)
Definition:
Empathie ist die mentale Fähigkeit, vorübergehend „in eine fremde Haut zu schlüpfen.“ Dies bedeutet
zum einen, sich in die Gefühlswelt einer fremden Person einzufühlen, zum anderen die
Perspektivübernahme sozialer und kultureller Rollen. Durch den emotionalen und sozialen
Rollentausch wird es möglich, die Wahrnehmung, Emotionen und Werthaltungen einer Person und die
persönlichen, sozialen und kulturellen Hintergründe von Normen und Verhaltensweisen zu verstehen.
Durch Übungen kann dieses Einfühlungsvermögen, wie Empathie auch genannt wird, gesteigert wer-
den.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Empathie ist eine sehr menschliche Eigenschaft. Ohne die Fähigkeit, das eigene Handeln auch nach
den Gefühlen, Wünschen und Werten unserer Mitmenschen auszurichten, wäre soziale und gesell-
schaftliche Interaktion höchst problematisch.
Menschliches Handeln lässt sich nicht immer rational erklären, da es nicht immer auf einfachen kau-
salen Zusammenhängen oder „vernünftigen“ Gründen beruht. Oft genug ist das Verhalten von
Gefühlsentscheidungen oder unterbewussten Werten und Normen abhängig. Ohne ein wechselseiti-
ges Verständnis für solche „Bauchentscheidungen“ ist es problematisch, sich als Teil der sozialen
Umwelt zu begreifen und die Reaktionen anderer Menschen auf das eigene Handeln zu verstehen.
Empathie ist also eine scheinbar alltägliche Kompetenz der Selbst- und Fremdwahrnehmung.
Andererseits, das zeigen Untersuchungen, ist Empathie bei Menschen ganz unterschiedlich ausge-
prägt.
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Bei autistischen Menschen zeigen sich beispielsweise soziale Inkompetenzen aufgrund eines
Mangels an Empathie. Einfühlungsvermögen oder Empathie wird als soziale Fähigkeit bereits im frü-
hen Kindesalter entwickelt. Das individuelle Einfühlungsvermögen kann jedoch auch im
Erwachsenenalter durch gezielte Übungen verbessert werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass
durch Einfühlung und Perspektiveübernahme im Rahmen eines Trainings umsichtigeres
Sozialverhalten, geringere Stressanfälligkeit und ein niedrigeres Aggressionspotenzial erreicht wer-
den.
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Dass Empathie-Übungen sogar in Extremsituationen erfolgreich sein können, zeigen die positi-
ven Erfahrungen aus Anti-Gewalt-Trainings. Gewalttäter werden dabei dazu gebracht, sich in die Rolle
ihres Opfers zu versetzen. Durch den Rollentausch wird gelernt, welche Reaktionen und Gefühle ihr
aggressives Verhalten auslöst.
Empathie ist eine emotionale und soziale Einfühlung, die nicht zwangsläufig eine langfristige
Aneignung bestimmter Emotionen und sozialer Rollen bedeutet. Das Hineinversetzen in eine Not ist
möglich, ohne diese Not selbst zu erfahren.
Soziale und kulturelle Nähe erleichtern Empathie, da Werte, Normen, Emotionen und
Verhaltensweisen vertrauter sind. Für das Zusammenleben innerhalb einer pluralistischen
Gesellschaft, die durch kulturelle Vielfalt gekennzeichnet ist, gewinnt Empathie als interkulturelle
Kompetenz zunehmend an Bedeutung, da sie Toleranz und wechselseitige Anerkennung fördert.
Gerade deshalb hat Empathie für Integration eine herausragende Bedeutung.
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Plüss, Andrea (2010): Empathie und moralische Erziehung. Das Ein-
fühlungsvermögen aus philosophischer und pädagogischer Perspektive.
Wien.
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Song, Sok-Rok (2001): Empathie und Gewalt, Studie zur Bedeutung der
Empathiefähigkeit für Gewaltprävention. Berlin.
den Bedingungen einer kulturell vielfältigen Gesellschaft ist diese Aufgabe ungleich schwieriger, denn
Emotionen als Bestandteil menschlicher Kommunikation können immer wieder zu Missverständnissen
führen. Menschen sind emotionale Akteure, doch die Kontrolle und Sanktionierung negativer
Affekthandlungen ist zugleich notwendig für das Zusammenleben in einer Gesellschaft.
Bedeutung für den Fußball:
Fußball findet in einer Arena der Emotionen statt. Emotionales Erleben ist ein integraler Bestandteil
des Sports, seine Attraktivität und sein Antrieb. Der Fußball gibt nicht selten Anlass für ein
Wechselbad der Gefühle. Die Mannschaften und ihre Fans feuern sich gegenseitig an, zwischen den
Kontrahenten herrschen Sympathien oder Antipathien. Die Vorfreude mischt sich mit Gefühlen der
Über- oder Unterlegenheit und der Angst vor einer möglichen Niederlage. Je nach Verlauf des Spiels
wechseln sich Nervosität, Niedergeschlagenheit und Freude ab. Nach dem Spiel herrschen
Siegesstimmung, Trauer oder Wut.
Doch nicht nur auf dem großen Parkett der Bundesligen, auch beim Kick auf dem Bolzplatz geht es um
das Ausleben von Gefühlen. Fußball gehört weltweit auch deshalb zu den beliebtesten Sportarten, weil
er menschliche Grundbedürfnisse berührt. Fußball erfüllt den Drang nach Aktivität und Erregung.
Körperliches und emotionales Erleben gehen dabei Hand in Hand. Fußball bedeutet eine Erfahrung des
Körpers, die im besten Fall zu Glücksgefühlen und Wohlbefinden führt. Genauso kann sie jedoch Frust,
Fremdheit, Enttäuschung, Schmerz und Aggression hervorbringen.
Gerade für Kinder und Jugendliche kann der Sport deshalb ein spielerischer Weg sein, um zu lernen,
sensibel mit eigenen Gefühlen und den Gefühlen anderer umzugehen. Fußball erfordert gleicherma-
ßen Leidenschaft und Disziplin. Der Sport verpflichtet einerseits zu einem hohen Maß an
Leistungsbereitschaft, Selbstkontrolle und Körperbeherrschung, andererseits zu einem respektvollen
zwischenmenschlichen Umgang. Fairplay beinhaltet die Wahrung der physischen und psychischen
Integrität aller Beteiligten. Wut, Trauer oder Begeisterung, dürfen nicht an den Mitspieler/innen,
Gegner/innen oder Schiedsrichter/innen ausgelassen werden. Der Sport fördert eine regelkonforme
Beherrschung der Emotionen bzw. Affekte und ist deshalb auch eine große Chance für die
Gewaltprävention. Durch Empathietrainings als Teil des interkulturellen Lernens im Verein werden
Spieler/innen befähigt, die Gefühlswelten ihrer Mitspieler/innen besser zu verstehen und die mit ihnen
verbundenen Verhaltensweisen anzuerkennen. Die Anerkennung persönlicher Stärken und
Schwächen sowie kultureller Unterschiede festigt den Zusammenhalt im Team und erhöht die
Chancen auf sportlichen Erfolg. Die Förderung gegenseitigen Verständnisses durch den gemeinsamen
Spaß am Spiel, ist eine der größten Chancen für Integration durch Fußball.
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