8
S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 6 / 2 0 1 2
Nachspielzeit ist immer Schie
Wie im richtigen Leben, gibt es auch im Profi-Fußball nahezu nicht auszuräumendes Falschwissen. Zum
legt, wie lange über die 90 Minuten hinaus gespielt werden soll. Lutz Wagner nimmt dazu Stellung.
J
eder fußballinteressierte Fern-
seh-Zuschauer kennt dieses
Szenario. Gegen Ende der Live-
Übertragung will es der Kommen-
tator noch mal richtig spannend
machen und weist auf „das viel-
leicht letzte Highlight“ des Spiels
hin: „Und jetzt hebt er die Tafel
hoch! Auf vier Minuten Nachspiel-
zeit hat sich der Vierte Offizielle
in diesem Spiel festgelegt und
teilt dies seinem Schiedsrichter
mit. Der hat also erst nach 94
Minuten endgültig Feierabend.
Und die Gastgeber haben noch
240
Sekunden Zeit, den Ausgleich
zu erzielen.“
Was ist richtig an dieser Aussage?
Leider fast nichts, sieht man ein-
mal von der Zeitangabe ab, die
der Kommentator von der
elektronischen Tafel des Vierten
Offiziellen abgelesen hat.
Nicht der Vierte Offizielle legt
die Nachspielzeit fest, sondern
der Schiedsrichter.
Folglich zeigt er sie auch nicht
dem Schiedsrichter an (der
kennt sie ja schon), sondern
allen anderen am Spiel Betei-
ligten und den Zuschauern.
Es ist auch nicht die Nach-
spielzeit „in diesem Spiel“,
sondern lediglich die der
2.
Halbzeit. Eine Nachspiel-
zeit muss immer der jeweili-
gen Halbzeit angehängt wer-
den.
Außerdem ist noch gar nicht
klar, ob wirklich nach 94 Minu-
ten „endgültig Feierabend“ ist,
denn der Schiedsrichter kann
auch die Nachspielzeit verlän-
gern, wenn er das für notwen-
dig hält. Verkürzen darf er sie
allerdings nicht.
Ärgerlich also, wenn ein solches
Halbwissen immer mal wieder ver-
breitet wird. Zumal das Anzeigen
der Nachspielzeit durch einen
Vierten Offiziellen ja nur in den
obersten beiden Spielklassen und
im DFB-Pokal möglich ist. Will ein
Schiedsrichter in irgendeinem
anderen Spiel Zeit nachspielen las-
sen, „so hat er diese in der letzten
Minute der jeweiligen Spielzeit-
hälfte für alle Beteiligten deutlich
sichtbar anzuzeigen“ (Regel 7) –
und zwar mit den Fingern.
Was können nun die Gründe für
eine Nachspielzeit sein? Das Regel-
werk gibt an:
Auswechslungen
Verletzungen von Spielern
Transport verletzter Spieler
vom Spielfeld
Zeitschinden
oder jeden anderen Grund.
Wobei „jeder andere Grund“ vor
allem äußere Einwirkungen
umfasst, zum Beispiel eine Spiel-
unterbrechung wegen eines Gewit-
ters oder wegen des Werfens von
Pyrotechnik. Die dadurch „verlore-
ne“ Zeit muss der Schiedsrichter
nachspielen lassen, während „ver-
geudete“ Zeit (absichtliche Spiel-
verzögerungen, um das Ergebnis
zu halten) nur dann nachgespielt
werden muss, wenn der fehlbaren
Mannschaft daraus kein Vorteil
entsteht.
Im Klartext: Will ein Team unbe-
dingt das 0:0 halten und spielt
deshalb auf Zeit, wird diese „ver-
geudete“ Zeit nicht drangehängt,
wenn der Gegner doch noch vor
Beginn der Nachspielzeit in Füh-
rung geht.
Sehr wichtig bei jeglicher Nach-
spielzeit ist dieser Satz der Regel 7:
Die nachzuspielende Zeit liegt im
Ermessen des Schiedsrichters.“
Und bei niemandem sonst. Damit
ist deutlich ausgeschlossen, dass
Im Fußball zählt nur eine Uhr – die des Schiedsrichters.
Regelwerk