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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 5 / 2 0 1 2
DFB-Pokalfinale 1964: Johannes Malka mit seinen Linien-
richtern Hans Voß und Wilfried Hilker (verdeckt) sowie den
Kapitänen Rudi Brunnenmeier (1860 München, links) und
Hermann Höfer (Eintracht Frankfurt).
90
Jahre Johannes Malka
Der ehemalige FIFA-Schiedsrichter und Vorsitzende des DFB-Schieds-
richter-Ausschusses hatte am 16. Juli seinen runden Geburtstag. Auf
eine große Feier legte der bescheidene Westfale keinen Wert, wie David
Hennig berichtet.
Geburtstag
M
al angenommen, Johannes
Malka hätte über seine Erleb-
nisse als aktiver Schiedsrichter und
Funktionär ein Buch geschrieben.
Dann würde darin sicher eine
Geschichte ganz bestimmt nicht
fehlen.
Es passierte im Viertelfinal-Rück-
spiel des damaligen europäischen
Messe-Pokals, das im Februar 1961
zwischen Hibernian Edinburgh und
dem FC Barcelona stattfand, und bei
dem Malka von Barcelonas Stürmer
Suarez die „Beine weggezogen“
wurden. Das geschah unmittelbar,
nachdem die Schotten einen
berechtigten Strafstoß verwandelt
hatten. Der Spanier tat natürlich so,
als sei das aus Versehen passiert.
Leider hatte ich für diese Tat kei-
nen Zeugen“, erzählte Malka später
dem „Kicker“. Auch sein Linienrich-
ter Günther Baumgärtel „hatte sein
Augenmerk nicht auf diese Szene
gerichtet“.
Heutzutage wäre der Täter per
Videobeweis überführt worden,
damals gab es solche Möglichkeiten
nicht. Edinburgh siegte übrigens
3:2
und erreichte das Halbfinale.
Der Vorfall stünde in dem Buch
allerdings nicht, um sich damit
wichtig zu machen, denn diese
Eigenschaft war und ist dem Jubi-
lar völlig fremd. Weshalb es zu
Johannes Malkas 90. Geburtstag
auch keine große Feier gab. „Das
hat er sich verbeten“, sagt Hans-
Otto Matthey, der Vorsitzende des
westfälischen Fußballkreises Reck-
linghausen. „Das respektieren wir
natürlich. Aber wenn so ein ver-
dienter Mann 90 Jahre alt wird,
dann hat er ein paar Worte ver-
dient.“
Wobei – mit ein paar Worten ist
dem Sportlerleben von Johannes
Malka nicht Genüge getan. Viele
weitere Geschichten ließen sich
erzählen, aber wir wollen hier die
Chronologie der Ereignisse in den
Vordergrund rücken, weil das wohl
dem Wesen von Johannes Malka
am ehesten entspricht.
1949
beginnt seine aktive Schieds-
richter-Laufbahn, nachdem er auf-
grund einer Knieverletzung nach
16
Jahren das Fußballspielen bei
der Spielvereinigung Herten aufge-
ben muss. Sein erstes Spiel in der
Oberliga West, damals die höchste
Spielklasse des DFB, leitet Johan-
nes Malka bereits drei Jahre später.
Gerade 30 Jahre alt geworden,
pfeift er am 24. August 1952 die
Begegnung zwischen Preußen Dell-
brück und Schwarz-Weiss Essen (4:2).
Ein Jahr später wird er auf die
damals sogenannte Schiedsrichter-
B-Liste des DFB berufen, 1954 rückt
er auf die A-Liste. Die Nominierung
zum FIFA-Referee erfolgt 1959. Bis
1966
wird Malka zu 21 Länderspie-
len und 58 anderen internationalen
Einsätzen angesetzt. Und er leitet
auch noch 51 Begegnungen der
Bundesliga, die 1963 ihren Betrieb
aufnimmt. Neben den Einsätzen im
Ausland (unter anderem bei der
Militär-WM im Oman) ist ein Höhe-
punkt seiner Karriere das DFB-
Pokalfinale 1964 zwischen 1860
München und Eintracht Frankfurt
(2:0). 1969
erreicht er die Alters-
grenze von 47 Jahren und beendet
seine aktive Laufbahn auf DFB-
Ebene.
Aber ein beständiger Charakter wie
Johannes Malka bleibt der Sache
natürlich treu. Schon 1963 nutzt
der Fußball- und Leichtathletik-
Verband Westfalen seine Erfahrun-
gen und beruft ihn zum Lehrwart.
Drei Jahre später und noch zu sei-
ner aktiven Zeit nimmt der DFB
Johannes Malka in den neu
gegründeten Schiedsrichter-Lehr-
stab auf. 1975 wird der Stadtamts-
rat aus Herten zum Schiedsrichter-
Obmann seines Landesverbandes
Westfalen und zugleich des west-
deutschen Regionalverbandes
gewählt. Als Nachfolger des ver-
storbenen Werner Treichel über-
nimmt er 1978 den Vorsitz des DFB-
Schiedsrichter-Ausschusses. Eine
Position, die er 17 Jahre lang aus-
füllen wird. Dass er in dieser Zeit
Mitglied der Schiedsrichter-Kom-
mission der UEFA wird und für
mehrere Jahre auch deren Vorsit-
zender, ist ein weiterer Beleg für
das große Fachwissen und die
Geradlinigkeit von Johannes Malka.
Familie und Freizeit mussten da
häufig zurückstehen, denn er war
ja ständig unterwegs zu Lehrgän-
gen, Sitzungen und Spiel-Beobach-
tungen. Mit 73 Jahren tritt Johan-
nes Malka schließlich im Oktober
1995
als Vorsitzender des DFB-
Schiedsrichter-Ausschusses zurück
und übergibt die Geschäfte an Vol-
ker Roth.
So konsequent, wie er seine Aufga-
ben als FIFA-Schiedsrichter und als
DFB-Funktionär erledigt hat, zieht
er sich aus dem Blickpunkt der
Öffentlichkeit zurück. Über die
Gründe sagt er später einmal in
einem Interview: „Irgendwann
möchte man auch mal Zeit mit der
Familie verbringen. Der zweite
Grund war das Heranwachsen einer
neuen Schiedsrichter-Generation.
Und der Hauptgrund war sicher,
dass das nicht mehr mein Fußball
ist. Die großen Geldbeträge, die
gezahlt werden, der Umgang mit
Schiedsrichtern, das ist nicht mehr
meine Fußball-Welt.“
2008:
Johannes Malka mit sei-
nem Nachfolger Volker Roth.
Und so passt es dann auch zu
Johannes Malka, dass er seinen 90.
Geburtstag in der ihm eigenen Art
verbracht hat – ohne jedes Aufse-
hen.