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S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 5 / 2 0 1 2
Titelthema
Die beiden kennen sich persönlich
gut von vielen Lehrgängen im Lan-
desverband. „Für Knut freut es
mich ganz besonders, weil er
immer einer von uns geblieben ist,
trotz seiner außerordentlichen
Erfolge“, sagt Baitinger.
Bis auf die FIFA-Liste hat es der
Bundesliga-Schiedsrichter, der für
den TSV Hirschau pfeift, mit seiner
Art geschafft. Neun Länderspiele
und 19 Europapokal-Einsätze sind
für Knut Kircher seit 2004 notiert.
Dabei hat er viel von der Welt
gesehen: „Ob in Ägypten, Aser-
baidschan, Katar oder Südkorea –
dank des Fußballs habe ich andere
Kulturen erleben dürfen, das war
für mich sehr bereichernd“, blickt
der FIFA-Mann auf seine internatio-
nale Karriere zurück, die er zum
Ende des Jahres freiwillig beendet.
Der Grund: der schwierige Spagat
zwischen Beruf, Familie und Fuß-
ball. „Man stellt sich im Leben
immer wieder die Frage, wie es
weitergeht, welche Ziele man sich
noch stecken kann“, sagt Kircher.
„
Ich habe international viel
erreicht, aber die weiteren Per-
spektiven wären in den nächsten
beiden Jahren eher beschränkt.
Dagegen haben wir viele junge
talentierte Schiedsrichter, die auf
einen Platz auf der FIFA-Liste war-
ten und diesen auch verdient
haben. Also mache ich meinen
Platz frei und setze die Schwer-
punkte im Leben künftig etwas
anders.“ Das hat der Maschinen-
bau-Ingenieur bereits Anfang des
Jahres entschieden. Auch wenn es
für ihn nicht mit der Teilnahme an
einer EM oder WM geklappt hat,
vermisst er nichts. „Ich war immer
meines eigenen Glückes Schmied.
Und am Ende freue ich mich über
all die Dinge, die ich erleben durfte
und die ich später einmal erzählen
kann.“
Dass er es überhaupt bis in die
Bundesliga schaffen würde, damit
hatte er ja selbst nicht gerechnet,
als er als B-Jugendlicher zur
Schiedsrichterei kam: „Unser
Jugendleiter beim TSV Hirschau
hatte drei Freunde und mich darauf
angesprochen, die Prüfung abzule-
gen. Damals spielte ich selbst aktiv
Fußball, bin viel mit dem eigenen
Pferd geritten und lernte zudem
noch Akkordeon spielen. Dennoch
entwickelte sich das mit dem Pfei-
fen über alle Lebensphasen weiter,
und ich war immer motiviert, die
nächsthöhere Liga zu erreichen“,
sagt Knut Kircher, der nicht verges-
sen hat, wo er herkommt.
Und das ist bei dem Spitzen-
Schiedsrichter keine Phrase: In der
vergangenen Saison leitete er
sogar Spiele in der E- und F-Jugend
sowie in der Kreisliga Tübingen.
„
Die Spieler gucken dann zwar
schon mal groß, aber für mich ist
das ein Zeichen, dass ich nicht nur
zur Bundesliga dazugehöre, son-
dern zum Fußball insgesamt“, sagt
Kircher. „Das tut mir persönlich
ganz gut.“ Genauso gerne besucht
der Unparteiische seine Kollegen im
Kreis Tübingen bei Versammlungen
und Fortbildungen, um eigene
Erfahrungen an die Jugend weiter-
zugeben.
Die Stadt Rottenburg nutzte die
Auszeichnung Kirchers zum
Schiedsrichter des Jahres, um ihren
prominenten Einwohner während
Vorgängerin Bibiana Steinhaus freute sich mit der Schieds-
richterin des Jahres.
DEKRA-Vorstandsmitglied Roland Gerdon überreichte die
Trophäen.
„
Team des Jahres“: Knut Kircher mit seinen Assistenten
Robert Kempter (links) und Stefan Lupp.
BEMERKENSWERT
Interessiert es Sie eigentlich,
welche Noten Sie in den
Fachmagazinen erhalten?
„
Meine Eltern freuen sich,
wenn der Bub mal wieder einen
Zweier heimgebracht hat. Und
meine Kinder ziehen mich auf,
wenn ich einen Fünfer bekom-
men habe. Ich nehme das alles
mit Humor. Mir sind die Noten
egal. Ich kann meine Leistung
nach 90 Minuten kritisch ein-
schätzen, das gehört zur
Lebenserfahrung.“
Knut Kircher im Interview mit
den Stuttgarter Nachrichten
der Sommerpause in einer Feier-
stunde zu würdigen. Dabei durfte
sich Kircher gemeinsam mit seinen
Assistenten Stefan Lupp und Robert
Kempter ins Goldene Buch der Stadt
eintragen. Die Lokalzeitung verglich
das eingespielte Team in ihrem
Bericht mit einem „alten Wein, der
mit den Jahren immer besser wird“.
Es ist also ein Glück für die Bundes-
liga, dass Kircher in diesem Jahr
nur seine internationale Karriere
beendet und dem Profifußball in
Deutschland noch ein paar Spiel-
zeiten lang erhalten bleibt.
Und wenn man bei Frauen ja sonst
eher ungern über ihr Alter spricht,
kann man bei Christine Baitinger
ebenfalls erfreut feststellen, dass
sie mit ihren 38 Jahren noch weit
von der Altersgrenze entfernt ist.
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